Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Welcher Projektleiter kennt es nicht: Ihr übernehmt ein Projekt, definiert die Projektziele und nach ein paar Monaten stellt ihr fest, dass sich die Timeline durch äußere Einflüsse radikal verkürzt hat. Einer solchen Problematik kann in der Regel nur durch zwei Maßnahmen begegnet werden: durch das Hinzuziehen von weiteren Ressourcen und durch die Reduzierung des Scopes – letzteres meistens in einem weniger starken Anteil. Auch ich habe dieses Problem schon miterlebt und möchte euch beschreiben, wie wir in einem laufenden Projekt mit dieser Problematik umgegangen sind.

Veränderungen in der Teamstruktur bedingen neue Teamgrowing-Prozesse

Ein kleiner Exkurs: Bei der Diskussion über die Skalierung von Teams wird häufig der Prozess des Teamgrowings entweder gar nicht oder nur zu geringen Anteilen betrachtet. Ich spreche an dieser Stelle bewusst von Teamgrowing und nicht von Teambuilding, denn das halte ich – angesichts der komplexen Strukturen, in denen wir operieren – für falsch oder zumindest für überholt. Schließlich kann ein Team nicht „gebaut“ werden, sondern es muss beim „Wachsen“ unterstützt werden.

Bei einem Teamgrowing-Prozess müsst ihr euch im Klaren darüber sein, dass die Performance im Team einen Rückschritt macht, ehe ihr von zusätzlichen Ressourcen oder allgemeinen Veränderungen im Team profitiert. Bevor das Team wieder in die Integrationsphase gelangt und wie gewohnt performen kann, beginnt zunächst die erneute Orientierung, dann das Herausarbeiten von Rollen und anschließend die Organisation neuer Strukturen. Auch wenn sich die Dauer der Phasen verkürzt, dürft ihr diesen natürlichen Effekt nicht unterschätzen. Kurz gesagt: Ihr verliert erst Performance, bevor ihr sie steigern könnt.

Etablierung eines Brückenkopfes in Spanien

Bereits in der frühen Projektphase haben wir uns dazu entschlossen, einen Teil der personellen Skalierung durch das Hinzuziehen von Kollegen aus Spanien abzudecken. Um das im Projekt vorhandene Wissen und die etablierte Arbeitsweise transportieren zu können, haben wir zu Beginn einen spanischen Kollegen für vier Wochen nach Deutschland eingeladen. In dieser Zeit konnten wir ihn in das Projektteam integrieren und mit ihm die technischen Rahmenbedingungen diskutieren, bevor er für uns die Projektarbeit in Spanien aufnahm.

Äußere Faktoren erforderten im Projekt eine Verkürzung des Liefertermins um vier Monate. Dementsprechend wurde ein Descoping durchgeführt und der Staffing-Prozess gestartet. Letztendlich wurden wir in diesem Projekt von drei Kollegen aus Deutschland und zwei aus Spanien unterstützt. Der angesprochene Kollege aus Spanien, der bereits im Vorfeld ins Projekt integriert wurde, konnte somit für die neuen spanischen Kollegen als „Brückenkopf“ genutzt werden.

Von kulturellen, sprachlichen und technischen Herausforderungen

Im Projekt haben wir uns aus drei Gründen für unseren adesso-Nearshore-Standort Spanien entschieden:

  • Die Kollegen aus Deutschland und Spanien befinden sich in derselben Zeitzone, womit zeitliche Irritationen ausgeschlossen werden können.
  • Unser Projektteam sammelt erste Erfahrungen mit den neuen spanischen Kollegen und unterstützt nebenbei noch das dortige Geschäft.
  • Die Arbeitsweise und -kultur in Katalonien und Deutschland unterscheiden sich nicht besonders.

Eine Herausforderung, die ein Nearshore-Standort zwangsläufig mit sich bringt, sind die sprachlichen Unterschiede. Allerdings hat sich die Nutzung der englischen Sprache im bisherigen Projektalltag etabliert, sodass der zwischenmenschliche Austausch in Sprache und Schrift ohne größere Probleme von Statten ging.

Im Rahmen unserer Scrum Meetings – hier insbesondere beim Sprint Review und Planning – hat sich das schon als schwieriger erwiesen, denn alle Anforderungen wurden und werden in deutscher Sprache verfasst. Zudem kann nicht immer gewährleistet werden, dass innerhalb des PO-Teams in englischer Sprache präsentiert und erklärt wird. Für dieses Problem haben wir aber schnell eine Lösung gefunden: Jedes Teammitglied wurde damit beauftragt, die spanischen Kollegen in einem separaten Termin abzuholen. Dieses Vorgehen hatte aber einen Nachteil: Unser Teamgefüge und das gelebte Zusammengehörigkeitsgefühl geriet ins Wanken. Im bisherigen Projektverlauf gab es noch ein weiteres Vorgehen, das sich – im Sinne eines Gesamtteams – als nicht förderlich erwiesen hat. Wir haben nämlich zunächst einen Ansatz gewählt, in dem dedizierte User Stories vergeben wurden, die autark entwickelt werden konnten. Nach wenigen Iterationen haben wir das Ganze aber dann auch schnell wieder aufgegeben. In unserer aktuellen Projektsituation haben wir die drei spanischen Kollegen als „normale“ Teammitglieder integriert. Dieser Ansatz funktioniert aus Teamgesichtspunkten bis dato wesentlich besser.

Die technischen Herausforderungen im Nearshore-Projektalltag unterscheiden sich nicht von herkömmlichen Projekten. Auch hier haben wir beispielsweise mit den Tücken unterschiedlicher Betriebssysteme – Mac versus Windows – zu kämpfen. Was allerdings in der Projektkommunikation zu Frust führte und führt, ist die unterschiedliche Implementation von Skype. Deshalb haben wir bereits nach den ersten Iterationen Alternativen gesucht. Die erste Entscheidung fiel auf Telegram – einen kostenlosen, Cloud-basierten Instant-Messaging-Dienst. Damit haben wir zwar den Austausch mit den spanischen Kollegen verbessert, aber gleichzeitig die Komplexität der projektübergreifenden Kommunikation erhöht.

Seit Januar sind wir nun Teil der Piloteinführung von MS-Teams – der Chat- und Besprechungsplattform von Microsoft. Mit diesem Tool haben wir nun auch keine Kommunikationsprobleme mehr, die technischer Natur sind. Alle übrigen Kollaborationsplattformen die wir im Projekt nutzen – etwa Confluence oder JIRA – stellen in unserem Projekt keine Probleme dar.

Fazit

Sich die Optionen offen zu halten, ein Skalierungsdefizit in Deutschland mithilfe von Nearshore-Anteilen auszugleichen, ist immer die richtige Strategie. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen dazu passen. Wie ihr gesehen habt, gibt es auf technischer Seite keine Unterschiede. Im Vorfeld steht eigentlich nur die Entscheidung an, wie ein übergreifendes und funktionierendes Team zusammenwachsen kann. Zudem solltet ihr euch zumindest ein paar Gedanken über mögliche sprachliche Hürden machen. Aber diese können, dank der englischen Sprache, in der Regel problemlos gelöst werden. Sollten diese Punkte Beachtung finden, steht einem erfolgreichen Projekt mit verteilten Teams nichts im Wege.

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Bild Dominic   Oberländer

Autor Dominic Oberländer

Dominic Oberländer ist agiler Consultant und Projektleiter der Line of Business Banking der adesso AG.

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