22. März 2024 von Albert Bowinzki
Moments That Matter – Die Customer Journey als Leuchtturm im CEM
Beginnen wir mit einem ungeschickten Beispiel einer Customer Experience: Man stelle sich folgendes Szenario vor: Man bestellt als Handwerker bei einem Onlineshop Teile, die man für seine Arbeit benötigt und verlässt sich auf das Versprechen des Onlinehändlers, dass die Lieferung bis zum Datum X bei Ihnen eintreffen wird. Doch das Paket kommt nicht nur zu spät, sondern zu aller Überraschung auch gar nicht an. Wie sich auf Nachfrage herausstellt, waren die Produkte zum Zeitpunkt der Bestellung gar nicht mehr lieferbar. Der Grund dafür ist, dass diese Information im Online-Shop nicht korrekt hinterlegt war und Ihnen daher nicht mitgeteilt wurde. Daher kann die Bestellung nicht fertiggestellt werden, was wiederum zu Verzögerungen bei anderen Arbeiten führt. Die Folge: Ihr und eure Kundinnen oder Kunden teilen sich nun den wirtschaftlichen Schaden, den Ärger über die Verzögerungen und letztlich ein schlechtes Kundenerlebnis über den gesamten Vertriebskanal und die Touchpoints ihrer jeweiligen Customer Journeys (B2B/B2C).
Glücklicherweise stehen den Unternehmen heute alle technologischen und methodischen Möglichkeiten zur Verfügung, um solche negativen Erlebnisse nicht nur zu vermeiden, sondern sogar ins Positive zu wenden.
Das Kundenerlebnis als wichtigste Abgrenzung zur Konkurrenz
Durch die Digitalisierung und Globalisierung unserer Welt fällt es den Kundinnen und Kunden immer schwerer, zwischen den unzähligen Anbietern auf dem Markt zu unterscheiden. Zu sehr ähneln sich Preise, Angebote und sogar das Erscheinungsbild vieler Unternehmen und Produkte. Deshalb wird das Kundenerlebnis (Customer Experience) immer mehr zum Differenzierungsmerkmal, das über Sieg oder Niederlage im Kampf um Sichtbarkeit und Kundenbindung entscheidet. Nur wer das Spiel beherrscht, seine Kundinnen und Kunden zur richtigen Zeit mit der richtigen Botschaft oder dem richtigen Service, gepaart mit der nötigen Portion Persönlichkeit, zu erreichen, wird sich im Wettbewerb durchsetzen können. Welchen Grund gäbe es sonst, zum Beispiel einem Logistikunternehmen, einer Zulieferfirma für bestimmte Komponenten in der Produktion oder einem Dienstleister für Unternehmenssoftware die Treue zu halten, wo doch alles so austauschbar geworden ist? Die Antwort ist eine hervorragende kundenzentrierte Customer Experience.
Customer Experience – Joint Venture des Unternehmens
Customer Experience ist eine gemeinsame Aufgabe aller Abteilungen eines Unternehmens und kein isoliertes Unterfangen, bei dem willkürlich an den zahlreichen Touchpoints und in den verschiedenen Abteilungen optimiert wird. Die perfekte Orchestrierung aller Beteiligten ist entscheidend, wenn die Experience beeindrucken soll. Marketing, Vertrieb, Service, Logistik, Buchhaltung und viele mehr müssen nahtlos ineinandergreifende Prozesse etablieren, um aus Kundensicht ein reibungsloses und unkompliziertes Erlebnis zu schaffen. Überall kann optimiert werden, aber nicht überall, wo etwas verbessert werden kann, muss es auch verbessert werden, vor allem dann nicht, wenn die Auswirkungen marginal sind. Entscheidend sind ganz bestimmte Interaktionen zwischen dem Kunden und dem Unternehmen, die so genannten „Moments That Matter“. Das können Moments of Gain sein, also Momente, in denen die Erwartungen der Kundin oder des Kunden erfüllt oder übertroffen werden, oder Moments of Pain, also Momente, in denen die Erwartungen der Kundin oder des Kunden überhaupt nicht erfüllt werden. Beide Momente sind entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und spiegeln sich in Umsatz- oder Kundenzufriedenheitszahlen wider. Es gilt also, sich genau dieser Momente bewusst zu werden, um sie zum eigenen Vorteil nutzen zu können. Dazu muss man zunächst verstehen, wo und wann sich diese Punkte des Kunden auf seiner ganz persönlichen Customer Journey befinden. Denn erst wenn die Customer Experience auf die Customer Journey abgestimmt ist, hat man die Basis, auf der sich Strategie, Maßnahmen und Organisation ableiten lassen.
Customer Experience und Customer Journey – eine kurze Erläuterung
Die Customer Experience ist unweigerlich eng mit der Customer Journey verbunden. Während die Customer Journey eher der Versuch ist, alle Interaktionen einer Kundin oder eines Kunden mit einem Unternehmen in einem strukturierten Prozess vom Erstkontakt bis zur langfristigen Kundenbindung abzubilden, konzentriert sich die Customer Experience auf die emotionalen (und rationalen) Reaktionen des Kunden auf jede dieser Interaktionen.
Unternehmen, die ein mindestens zufriedenstellendes Kundenerlebnis bieten wollen, analysieren und optimieren ihre Customer Journey, um sicherzustellen, dass jede Phase so gestaltet ist, dass die Erwartungen und Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden erfüllt oder übertroffen werden.
Customer Journeys sind so vielfältig wie die Kundinnen und Kunden eines Unternehmens
In der Literatur und auch in der Anwendung des Konzepts der Customer Journey finden sich viele verschiedene Modelle, die alle für ihren Kontext sinnvoll sein können. Dennoch kann man sich auf eine grobe Struktur der Customer Journey einigen.
Ganz grob: Vor dem Kauf, während des Kaufs und nach dem Kauf.
Es gibt jedoch keine starre Vorgabe, wie eine Customer Journey im Detail auszusehen hat. Sowohl die Anzahl der einzelnen Phasen kann variieren, als auch ihre individuelle Länge kann länger oder kürzer sein oder sie können sogar ganz übersprungen werden. Zudem verlaufen Customer Journeys nicht immer linear, sondern können iterativ durchlaufen werden oder sich im Zeitverlauf verändern.
Letztendlich hängt es von vielen verschiedenen Dimensionen ab, wie die Customer Journey in deinem Unternehmen aussieht.
- Zum Beispiel die Art des Produkts
- Etwa Dienstleistungen vs. physische Produkte, Konsumgüter vs. Gebrauchsgüter, Software vs. Hardware, langlebige vs. kurzlebige Produkte
- Die Preissensibilität der Kundinnen und Kunden
- Zwischen der Entscheidung, eine Rolle Toilettenpapier zu kaufen oder in eine Photovoltaikanlage zu investieren, liegen Welten in Bezug auf Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung.
- Zielgruppe
- B2B vs. B2C
- Die Vertriebsstruktur
- Direkt vs. mehrstufig
Generell gilt: Je komplexer und teurer das Produkt, desto komplexer und länger die Customer Journey.
Eine mögliche Einteilung in Phasen könnte wie folgt aussehen:
So können Unternehmen die beiden Elemente „Customer Journey“ und „Customer Experience“ verheiraten
Das ultimative Ziel bei der Entwicklung von Customer Journeys ist die Erhöhung der Anzahl zufriedener Kundinnen und Kunden bei gleichzeitiger Erhöhung des Customer Lifetime Values. Um dies zu erreichen, muss die Customer Journey möglichst positiv verlaufen. Was muss ein Unternehmen also tun?
1) Definition einer Vision und eines Mission Statements im Kontext der Customer Experience
So trivial es klingen mag, so entscheidend ist dieser Punkt für den Erfolg und die Ausrichtung der nächsten Schritte. Ohne eine klare Vision und Mission werden Optimierungsversuche im Sande verlaufen und zu Effizienzverlusten führen.
2) Definition der aktuellen Customer Journey(s) und Persona(s)
Je nach Anzahl der Produkte und der verschiedenen Käufersegmente sowie der unterschiedlichen Vertriebskanäle kann es eine Vielzahl von Customer Journey(s) geben. Diese gilt es zu sondieren, zu kategorisieren und hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Implikationen und Potenziale zu priorisieren. Wir sprechen vom Ist-Zustand, den IST-Journeys.
3) Definition der zukünftigen, idealen Customer Journey(s)
Hier geht es darum, sich Gedanken über die optimalen Customer Journeys (SOLL-Journeys) zu machen, die natürlich dem Aspekt der Machbarkeit standhalten müssen, aber dennoch ambitioniert skizziert werden dürfen. Der Spagat zwischen Utopie und erfolgversprechenden Quick Wins ist einer der komplexesten Gegenstände dieser Ausarbeitung und erfordert viele Wissensträger im Unternehmen.
4) Analyse der "Moments That Matter
Hier liegt der Kern der Customer Journey. Die Momente, auf die es wirklich ankommt, die auf der einen Seite darüber entscheiden, ob ein Kunde (wieder) kauft und im Idealfall sogar Werbung für Ihr Unternehmen macht, oder auf der anderen Seite, ob Sie diesen Kunden verlieren und er im schlimmsten Fall sogar schlecht über Ihr Unternehmen spricht. So entscheidend diese Punkte auf der Customer Journey sind, so klein und unbedeutend erscheinen sie oft im Detail (wie im Eingangsbeispiel).
5) Ableitung von Optimierungsmaßnahmen
Legt man nun die IST-Journey und die SOLL-Journey übereinander, erkennt man schnell, an welchen Stellen der Customer Journey der größte Handlungsbedarf besteht. Unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte gilt es nun, Optimierungsmaßnahmen zu erarbeiten. Die Moments That Matter sind dabei, wenn sie vernünftig erarbeitet wurden, die entscheidenden Eckpfeiler, an denen die Maßnahmen ausgelotet werden können. Diese müssen in eine nachvollziehbare Roadmap gegossen werden.
6) Priorisierung und Einbettung in eine Roadmap
Struktur ist wichtig! Sie werden schnell feststellen, dass Ihre aktuelle Customer Journey in vielen Punkten weit von Ihrer optimalen Journey entfernt ist. Damit dies nicht zu einem Himmelfahrtskommando aus unzähligen Action Items mutiert, braucht es vor allem Struktur und Priorisierung. Eine mögliche Aufteilung in thematische Streams könnte folgendermaßen aussehen
a. Systeme/Daten
In diesem Stream, der die technologische Basis einer gewinnbringenden CX-Strategie darstellt, sollte man sich intensiv mit der bestehenden IT-Systemlandschaft auseinandersetzen, deren Architektur analysieren, Schwachstellen identifizieren und diese systematisch beheben - in enger Abstimmung mit den Fachabteilungen.
b. Change Management undTraining
Das Mindset, alles für ein exzellentes Erlebnis zu tun, muss sorgfältig und behutsam an die Mitarbeitenden herangetragen werden. Kommen neue CX-Systeme (CRM, Marketing Automation, Service, CDP, Analytics) hinzu, müssen die Verantwortlichen geschult, Wissen aufgebaut und dieses systematisch weitergegeben werden.
c. Organisation und Prozesse
Die Veränderungen im Unternehmen müssen organisatorisch sauber begleitet werden, um effizient und möglichst reibungslos ablaufen zu können. Arbeitsgruppen, Lenkungsausschüsse, Sponsoren und Product Owner sind nur ein Teil der strukturellen Anforderungen an die Prozesse, die der Veränderung zugrunde liegen.
d. Kundenzentrierung
Die bisherigen Streams waren sehr nach innen gerichtet und konzentrierten sich auf die technischen, kulturellen und organisatorischen Aspekte der Roadmap. Der Stream „Kundenzentrierung“ soll ein Gegengewicht dazu bilden und Initiativen beinhalten, die es ermöglichen, mit den Kunden zu interagieren, Stimmungsbilder einzuholen, NPS- und CX-Befragungen einzuführen und deren Ergebnisse zur kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung der anderen Streams zu nutzen.
Fazit: Dear customer, you really matter!
Unternehmen müssen heute mehr denn je in der Lage sein, auf die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden einzugehen und ihnen einzigartige und hochgradig personalisierte Erlebnisse zu bieten. Die technologischen Voraussetzungen sind vorhanden, aber der Kauf von Tools allein, ohne den Gesamtkontext des Kundenerlebnismanagements zu berücksichtigen, ist so hilfreich, wie ein Auto ohne Benzin fahren zu wollen. Sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich können Nuancen über Erfolg oder Misserfolg des Kundenerlebnisses entscheiden, die sogenannten Moments That Matter.
Mit der Erfahrung aus unzähligen Projekten bietet adesso einen End-to-End-Ansatz, der Unternehmen dabei hilft, ihre Customer Journeys zu verstehen, die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden zu erkennen und Optimierungspotenziale voll auszuschöpfen. Dabei bietet adesso nicht nur die methodische Unterstützung, sondern auch die technologische Beratung bei der Auswahl der richtigen Systeme, deren Implementierung und die erfolgreiche Einführung im Unternehmen. adesso arbeitet mit allen führenden Anbietern im Bereich CX zusammen und versteht es, die komplexen Anforderungen aller Branchen und Geschäftsfelder aufzunehmen und zielgerichtet zu beraten.