31. Juli 2024 von Matthias Zurth
Warum Digitale Produktion für Unternehmen unerlässlich ist
Seit Jahren wird über digitale Produktion, Industrial Internet of Things (IIoT), Industrial Metaverse und KI gesprochen. Doch die konkrete Umsetzung ist oft schwierig. In dieser Blog-Reihe zur Digitalen Produktion zeigen wir, wie das Konzept in Branchen wie Maschinenbau, Automotive, Prozessindustrie oder Life Sciences erfolgreich umgesetzt werden kann.
In diesem Blog-Beitrag widmen wir uns zunächst den Fragen: Warum brauchen wir die Digitale Produktion? Welchen konkreten Mehrwert bietet sie? Und warum ist es so schwierig, dieses Konzept in der Produktion umzusetzen, während andere Teile der Wertschöpfungskette schon weiter sind?
Planung und Steuerung
Ein Blick auf die Life-Sciences-Industrie zeigt einen klaren Trend zur personalisierten Medizin.
Wir sehen immer mehr Produkte für sehr spezifische und damit kleinere Patientenpopulationen. Für die Produktion bedeutet dies, dass die Anzahl der Varianten beziehungsweise Produkte stetig steigt und die durchschnittliche Stückzahl pro Variante sinkt. Die Produktion muss heute wesentlich flexibler sein. Gleichzeitig bleibt der Druck zur Kostensenkung bestehen.
Kundinnen und Kunden erwarten kurze Lieferzeiten und wollen möglichst spät bestellen, um bei schwankender Nachfrage die Lagerbestände gering zu halten. Flexibilität ist also auch hier entscheidend.
Um die geforderte Flexibilität bei möglichst hoher Produktivität zu gewährleisten, muss die Produktion gezielt gesteuert werden. Dies ist oft aus zwei Gründen schwierig: Zum einen fehlt ein zeitnahes Bild über den aktuellen Stand der Produktion, zum anderen sind die Systeme entlang der Automatisierungspyramide oft noch nicht durchgängig integriert, so dass durch manuelle Schnittstellen wertvolle Zeit verloren geht und damit die Durchlaufzeiten höher sind als eigentlich notwendig. Diese können aber nur zielgerichtet erfolgen, wenn der aktuelle Produktionsstatus sowie die Ursache-Wirkungsbeziehungen von Problemen in der Produktion bekannt sind und damit die Wirksamkeit von Eingriffen abgeschätzt werden kann. All dies geht nicht mehr mit Zettel und Stift, sondern nur mit einem entsprechenden Digitalisierungsgrad.
Digitale Produktion bedeutet also eine möglichst weitgehende Integration der verschiedenen IT- und OT-Systeme in der Produktion und damit eine umfassende und interpretierbare Datenbasis. Damit haben Produktionsmitarbeitende jederzeit einen aktuellen Überblick über die Produktion, können besser planen und ihre Produktion gezielter steuern. Intelligente Algorithmen verbessern zudem kontinuierlich die Planungsergebnisse. Je nach Zielsystem der eigenen Produktion führt dies zu höherer Flexibilität, kürzeren Durchlaufzeiten, geringeren Beständen, höherer Liefertreue oder sinkenden Produktionskosten.
Analyse und Optimierung
Optimierungsprojekte wie Wertstrom- oder REFA-Analysen wurden bisher mit Stift und Papier durchgeführt. Diese Potenziale sind jedoch weitgehend erkannt und ausgeschöpft. Weitere Optimierungspotenziale können nur mit Hilfe von Daten und intelligenten Algorithmen erschlossen werden.
Die Produktion zeichnet sich jedoch im Gegensatz zu anderen Fachbereichen durch eine hohe Heterogenität der Hard- und Softwaresysteme aus. So liegen Daten dezentral vor, sei es in der SPS, in lokalen Shopfloor-Applikationen oder in Softwaresystemen wie ERP, MES oder PLM. Um diese Daten punktuell zu erfassen und zu analysieren, sind oft unterschiedliche Expertinnen und Experten wie SPS-Entwicklerinnen und -Entwickler, MES- und SAP-Fachleute notwendig. Das macht Analysen insgesamt sehr aufwändig und teuer. Der ROI einzelner Projekte ist daher in der Realität oft enttäuschend gering.
In der Digitalen Produktion werden die Daten einheitlich semantisch beschrieben und zentral strukturiert, so dass sie allen Beteiligten zur Analyse und Optimierung ihrer jeweiligen Prozesse zur Verfügung stehen. Dies erfordert zwar Anfangsinvestitionen in die notwendigen Technologien, wie zum Beispiel in eine IoT- oder moderne Datenplattform. Insgesamt lassen sich nachfolgende Optimierungsprojekte jedoch deutlich einfacher und schneller umsetzen.
Herausforderungen bei der Einführung
Historisch gesehen sind Produktionssysteme organisch gewachsen. In den meisten Fabriken gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Hardware, IT- und OT-Systeme, wobei jede Fabrik oft ein einzigartiges Setup hat. Häufig gibt es nicht einmal innerhalb einer Fabrik ein MES, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Shopfloor-Anwendungen.
Hinzu kommt, dass IT und Produktion in der Vergangenheit getrennt voneinander organisiert waren und gearbeitet haben. Die IT war häufig organisatorisch dem CFO zugeordnet und hatte klassische IT-Systeme wie ERP oder CRM im Fokus. Die OT hingegen wurde meist vom COO oder CTO verantwortet und hatte in der Regel nicht die Möglichkeit, Softwareingenieure zu beschäftigen. Stattdessen entwickelten IT-affine Produktionsingenieure sogenannte Schatten-IT-Systeme, um spezifische Probleme zu lösen. Dies führte im Laufe der Jahre zu einer Vielzahl von Anwendungen und Systemen, die oft unsicher und schwer zu verwalten und zu warten sind.
Diese Herausforderungen können nur überwunden werden, wenn IT und OT enger zusammenwachsen. Man spricht hier von IT-OT-Konvergenz. Damit ist nicht nur die technische, sondern vor allem auch die organisatorische Seite gemeint: IT- und OT-Expertinnen und -Experten müssen eine gemeinsame Sprache finden und enger zusammenarbeiten.
Denn nur gemeinsam ist es möglich, unterschiedliche Systeme zu integrieren, Sicherheit, Verwaltbarkeit und Wartbarkeit zu gewährleisten und die eigenen Prozesse über alle Produktionsstandorte hinweg sinnvoll zu standardisieren und zu harmonisieren. Dass sich der Aufwand lohnt, haben wir in unseren Projekten gesehen. Wie genau das funktioniert, zeigen wir euch in den nächsten Blog-Beiträgen.