8. Mai 2023 von Stephan Thies und Marty Kostmann
Warum Change Management in Transformationsprojekten eine große Rolle spielen muss
Viele Jahre oder gar Jahrzehnte arbeiten Unternehmen mit dem gleichen System. Nur punktuell werden Änderungen vorgenommen: hier mal ein Update, dort mal ein Eingriff – das große Ganze mit seiner Funktionalität und Oberfläche bleibt jedoch bestehen. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ein System abgelöst werden muss – sei es, weil der Hersteller keine Wartungen mehr anbietet oder weil es schlicht nicht mehr den heutigen Anforderungen entspricht. Dies ist es häufig bei Transformationsprojekten von SAP-Systemen der Fall. Dann heißt es: neue Workflows, andere Oberflächen, viele neue Produkte. Das ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern vor allem eine menschliche. Denn wenn die Menschen, die diese neuen Systeme bedienen, nicht vernünftig einbezogen werden, wird auch die beste SAP-Lösung von den Mitarbeitenden kaum angenommen. Change Management heißt der Schlüssel, damit genau das nicht passiert.
Die Verträge sind unterzeichnet, das Transformationsprojekt startet. Ein Unternehmen möchte von SAP R3 auf S/4Hana umstellen. Support und Wartung laufen für die Altsysteme von SAP noch bis 2027. Bis dahin sollte die Transformation abgeschlossen sein. Doch hinter dem Begriff „Transformation“ steckt viel mehr als nur eine technische Umstellung. Die Mitarbeitenden haben jahrelang mit dem alten System gearbeitet, es vielleicht sogar selbst entwickelt oder zumindest mit auf den Weg gebracht. Verständlicherweise fällt es manchen schwer, sich davon zu trennen. Genau dort muss Change Management ansetzen und Mitarbeitende ins Boot holen.
Change Management einbeziehen: Je früher, desto besser
Sobald ein Projekt in die Konzeptionsphase übergeht, kommt Change Management ins Spiel. Eine Change-Impact-Analyse ist der erste Schritt, um sich ein Bild von der Organisation des Kunden zu machen: Wer ist von der Umstellung betroffen? In welchen Bereichen erwarten wir erhebliche Veränderungen? Welche Auswirkungen hat die Umstellung auf die Betroffenen? Diese Fragen klären wir mit den Verantwortlichen auf Kundenseite und in Gesprächen mit den Mitarbeitenden. Es findet also zunächst ein intensiver Dialog mit allen Beteiligten statt. Mittels einer Change-Readiness-Analyse untersuchen wir, wie bereit die Organisation für die geplante Veränderung ist. Wir führen Interviews, veranstalten Workshops, analysieren gegebenenfalls vergangene Change-Prozesse des Unternehmens und leiten daraus Empfehlungen und Maßnahmen ab. Der ständige Austausch mit der internen Projektleitung ist dabei essenziell wichtig. Denn hier erhalten Change Manager am schnellsten Informationen, die alle Beteiligten betreffen. Ein mindestens wöchentlicher Jour-Fix ist empfehlenswert. Nicht immer wird Change Management von Beginn an ins Projekt eingebunden. Je früher, desto besser sollte die Devise lauten, um Veränderungen erfolgreich zu begleiten.
Maßnahmen für erfolgreiche Transformationen
Bei adesso gliedern wir unsere Maßnahmen in zwei Bereiche: Kommunikation und Befähigung. Auf der Ebene der Kommunikation wollen wir informieren und sensibilisieren. Beispielsweise geht es um die Frage, wie die Mitarbeitenden des Kunden über den Stand der Transformation informiert werden: Gibt es einen Newsletter? Haben alle Mitarbeitenden regelmäßig Zugang zu Laptops? An wen können sie sich mit konkreten Fragen wenden? Das sind Aspekte, die wir im Rahmen der Kommunikation klären.
Bei der Befähigung geht es um die Art und Weise wie wir etwas umsetzen. Wie nehme ich andere Leute mit? Falls Schulungsbedarf besteht: Wie möchten wir etwas schulen? Mit diesen Maßnahmen wollen wir erreichen, dass alle Beteiligten optimal auf den Go-Live vorbereitet sind. Der Go-Live hat ohnehin eine besondere Bedeutung. Die Vorbereitungszeit ist vorbei, jetzt entscheidet sich, wie gut wir auf technischer Ebene im Vorfeld gearbeitet haben. Auch mental heißt es jetzt: Alle müssen auf die Neuerung vorbereitet sein und wissen, was auf sie zukommt. Oft machen wir kurz vor dem Go-Live eine Art Sneak-Preview, in der wir den Beteiligten zeigen, wie ihre neue Systemumgebung aussehen kann und wird. Und ganz wichtig: Ein Go-Live muss gefeiert werden – und zwar mit allen Beteiligten!
Präsenz beim Kunden ist unabdinglich
Change Management leistet viel Arbeit auf zwischenmenschlicher Ebene. Es kann einen großen Mehrwert schaffen, indem es Menschen zusammenbringt und Silodenken abbaut. Oft kann Change Management auch eine Brücke zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sein. In Gesprächen mit den Beteiligten geht es immer darum, transparent zu sein und den Sinn der Veränderung zu aufzuzeigen. Auch persönliche Anreize sind wichtig – warum sollen die Mitarbeitenden in Zukunft mit SAP arbeiten statt mit Excel-Tabellen, die bisher immer ihren Zweck erfüllt haben? Nachhaltiger Wandel funktioniert nur, wenn es Anreize gibt und die Menschen den Sinn der Transformation erkennen.
Es gibt zwei Punkte, die Change Manager in ihrer täglichen Arbeit mit dem Kunden nicht aus den Augen verlieren sollten. Zum einen ist es sehr wichtig beim Kunden vor Ort zu sein. Change Manager müssen immer wieder auf den Flächen des Kunden präsent sein und mit den Mitarbeitenden sprechen. Zum anderen: ehrlich sein. Change Manager haben wenig Einfluss darauf, wie die neuen Systeme letztlich funktionieren. Aber sie können beeinflussen, wie die Mitarbeitenden davon erfahren. Außerdem können sie Sorgen und Wünsche aufnehmen und weiterleiten. Dabei sollten sie immer ehrlich sein und keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können. „Ich werde eure Anmerkungen gerne an unser Entwicklerteam weiterleiten“ ist schließlich etwas anderes als „Ich bin mir sicher, dass unsere Entwickler eure Anforderungen genauso umsetzen werden.“
Wie ein Zahnarztbesuch – nicht sexy, aber effektiv
In erster Linie bedeutet Change Management Prävention und klingt zunächst unsexy. Es ist wie beim Zahnarzt: Wenn man regelmäßig hingeht, hat man gute Zähne. Lässt man den Zahnarztbesuche ausfallen, kann das schlimme Folgen haben, Schmerzen verursachen und möglicherweise viel Geld kosten. Das ist in der IT nicht anders. Das heißt: Wenn Change Management von Anfang an mitgedacht und vernünftig integriert wird, gibt es beim Go-Live und darüber hinaus wenig Probleme mit den Erwartungen und der Vorbereitung auf ein neues SAP-System. Und sind wir ehrlich: So lässt sich ein Go-Live am besten feiern.
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