30. September 2022 von Heike Heger
Omnichannel Commerce versus Unified Commerce - und die Commerce-Arten dazwischen
Es geht um Commerce – B2B, B2C, B2B2C – manchmal auch B2E und B2G. Heute geht es weniger um die Zielgruppen als vielmehr um die Ausprägungen des Commerce. Und auch hier: Wir reden munter über die Begrifflichkeiten – aber wissen wir, was dahintersteckt? Wissen wir, was wir brauchen in unseren Vertriebs-Marketing-orientierten Bereichen? Schließt das eine mittlerweile das andere aus oder haben die oben genannten Commerce-Ausprägungen durchweg noch ihre Daseins-Berechtigung? Lasst uns mal die Lupe daraufsetzen und ein wenig genauer hinschauen …
Der Content-Driven-Commerce – oder: Content-Commerce
Hierbei geht es nicht um irgendeinen Content, der sich schlank um die Produkte und damit nah am Commerce entlang rankt. Es geht bei Content-Driven-Commerce vielmehr um die perfekte Unterstützung der gesamten digitalen Customer Journey – teilweise weit vor und oftmals auch weit nach einem getätigten (Online-)Kauf. „Von der Awareness des Bedarfs über die Idee der Produktauswahl bis zum Kauf und der Nutzung des Produkts. Kundinnen und Kunden müssen dabei zu jeder Zeit und an jedem digitalen Touchpoint auf die benötigten Inhalte zugreifen können“, schreibt das Magazin contentmanager.de in seinem Beitrag Content und Commerce – Es wächst zusammen, was zusammen gehört.
Ob Instagram, Facebook oder TikTok, ob Google-Suche oder Erlebnisblog, ob Vergleichsportal, Testbericht, Marktplatz oder Anbieterseite – die Informationen starten an irgendeinem Punkt und dann findet für die Konsumierenden das Shopping auf einem der unzähligen Kanäle statt. Und immer begleitet Content-Commerce die Inhalte den Konsumentinnen und Konsumenten abgestimmt, kanalbezogen, kundenindividuell und doch einheitlich und harmonisch. Marketingprofis wissen: Hierfür braucht es einerseits eine gut durchdachte Content-Commerce-Strategie und andererseits die richtige Technologie für die Umsetzung – wie zum Beispiel eine Digital Experience Platform (DXP). Der adesso-Partner Crownpeak (ehemals E-Spirit) sieht in seinem Blog-Beitrag fünf wesentliche Gründe für eine erfolgreiche Content-Driven-Strategie:
- 1. Markendifferenzierung
- 2. Verbesserte Auffindbarkeit in den Suchmaschinen
- 3. Größere Erfolge in einer neuen Buyers Journey
- 4. Das verbesserte Ausschöpfen von Wissensressourcen des Unternehmens
- 5. Die Steigerung der Customer Loyalty (Kundinnen und Kunden zu wahren Fans machen)
Kurzum: Content-Driven-Commerce ist ein mächtiges Element in der Gewinnung und Bindung von Kundinnen und Kunden über content-basierte Ansprache entlang der gesamten Customer Journey. Und damit ist Content-Driven-Commerce ohne Frage sehr relevant in den Marketingbereichen.
Der Composable Commerce
Der Begriff wurde 2020 erstmals von Gartner geprägt. Meine Kollegin Laura Schöning beschreibt es in ihrem Blog-Beitrag wie folgt: „Composable Commerce steht für eine IT-Infrastruktur, bei der nicht alle Geschäftsanwendungen durch ein einziges System abgedeckt werden. Stattdessen wird eine Auswahl von besonders geeigneten Softwarekomponenten im digitalen Handel vorgenommen, die sich beliebig modular zu einer passgenauen Anwendung verbinden lassen.“ Ein Best-of-Breed-Ansatz also? Ja, genau. Das bestätigt auch die Marketing Plattform OMR in ihrem Blog. Sie beschreibt den Composable Commerce wie folgt: „Im Kern geht es darum, dass ihr eure Customer-Experience-Architektur durch die Nutzung zahlreicher Komponenten optimiert – also keine Komplettsysteme verwendet. Stattdessen werden mehrere leistungsstarke Einzellösungen individuell für euer Unternehmen passend zusammengestellt. Ihr baut euch also aus den besten Branchenlösungen eure maßgeschneiderte Systemlandschaft, um die Anforderungen, die ihr bewältigen müsst, zu erfüllen.“
Die Vorteile von Composable Commerce sind vielfältig:
Mit-Best-of-Breed nur das Beste
Während große Monolithen meistens an einem Punkt besondere Stärken haben, aber eben auch anderen Punkten nicht so ausgereift sind, erhält man mit Composable Commerce buchstäblich von jedem Produkt nur das Beste. Also jeweils die Lösung die am meisten den Ansprüchen der Expertinnen und Experten gerecht werden.
High-Performer
Dadurch, dass die jeweiligen Systeme „schlank“ daherkommen, können sie in ihrer Anwendung auch deutlich besser performen als komplexe Systeme und damit schneller und wendiger in der Anwendung sein.
Agilität und Flexibilität
Anforderungen können sich ändern. Und mit ihnen auch die Lösungen. In einer unflexiblen Systemlandschaft wird das häufig zum schwierigen Unterfangen - anders in einer modular aufgebauten Systemlandschaft. Hier wird ein einzelnes System ausgetauscht – schnell, wendig und ohne dramatische Konsequenzen für den Rest.
Sicherheit und Handhabbarkeit
Egal, ob es um ein Update geht, ob Anpassungen vorgenommen werden müssen, ob es um Ausfälle am System oder um Zugangsrecht zu dem System geht: alles ist in Summe leichter handlebar, wenn es sich nicht um große komplexe Systeme, sondern um kleinere, abgegrenzte Lösungen handelt. Beim Composable-Commerce-Ansatz ist man immer auf der einzelnen Lösungsebene und kann Herausforderungen jeglicher Art schneller und einfacher lösen. Und die Mitarbeitenden sind ebenfalls wesentlich schneller geschult als bei einem komplexen System oder einer Suite.
Kosten
Ihr kennt das aus dem Restaurant: Nimmt man die große Poseidon-Platte (von der man eigentlich nur die Hälfte mag) oder wählt man genau das aus, was einem schmeckt und hat nicht alles auf dem Teller? So geht es auch mit Composable Commerce. Dadurch, dass man sich exakt auf die Lösungen fokussiert, die wichtig und relevant sind, kann man auch hier deutlich Kosten sparen. Zumindest aber die Kosten sehr nah am Nutzen orientieren.
Kurzum: Um mit den wirklich großen Playern im Markt mithalten zu können, müssen Unternehmen hochflexibel auf sich ständig verändernde Marktbedingungen reagieren können. Composable Commerce ist dabei die relevante und erfolgreiche Strategie für Marketingverantwortliche.
Der Omnichannel Commerce
Kundinnen und Kunden erwarten schon seit einiger Zeit, an jedem ihrer Touchpoints einkaufen und jegliche Arten von Services nutzen zu können. Wir Marketingleute richten uns mit unseren Informationen und unserem Angebot danach aus. Alles was uns dabei interessiert ist: wie schaffen wir es, einheitliche Einkaufserlebnisse über alle Kanäle, Sprachen und Länder hinweg zu schaffen? Wie können wir Kaufprozesse optimieren und zwar so, dass die Kundschaft es als „leicht und angenehm“ wahrnimmt? Und wie schaffen wir es, Conversions und Umsätze steigern?
Unsere Antwort darauf lautet Omnichannel Commerce. Per Definition aus dem Wirtschaftslexikon Gabler heißt dies: „Omnichannel-Management, Omnichannel-Retailing oder „All-Kanal-Vertrieb“ bezeichnet das synergetische Planen, Steuern und Kontrollieren der zahlreichen verfügbaren Vertriebskanäle und Kundenkontaktpunkte („Customer-Touchpoints“), um das Kundenerlebnis und den Unternehmenserfolg über die verschiedenen Vertriebskanäle und Prozessschritte hinweg zu optimieren. Kunden können zu jeder Zeit zwischen den verschiedenen Kanälen (stationär, online, mobil, Callcenter, Soziale Medien, Kataloge) wechseln. Kanäle und Marken stehen miteinander in Wechselwirkung. Kundenkontaktpunkte sind eine Folge von direkten oder indirekten Berührungen mit einer Marke oder Firma (inklusive Einzelhändlern).“
Auch wir von adesso beschäftigen uns regelmäßig mit „Pulsmessungen“ bei unseren Unternehmenskunden im Zuge von Studien, wie beispielsweise der CX-Studie 2021. Dabei stellen wir Jahr für Jahr fest: es ist ein stetiger datengetriebener Prozess des Hören und -Verstehens. Und bei all den Strategien – Online, Offline und am besten durchgängig – gibt es immer wieder GAPs zwischen dem, was Kundinnen und Kunden wünschen und dem was Unternehmen bieten (können).
Im Zuge des Omnichannel Commerce kommt seit einiger Zeit eine weitere Strategie mehr und mehr in die Beachtung:
Der Unified Commerce
Unified Commerce wird per Definition als die nächste Evolutionsstufe der Omnichannel-Strategie verstanden. Hintergrund ist, dass man sich im Marketing und Vertrieb nicht mehr die Frage stellt, welche Kanäle man bespielt. Es ist das Gebot der Stunde, möglichst alle Kanäle zu frequentieren – und das möglichst effizient.
Das Ziel, Kundinnen und Kunden in einer Art Endlosschleife personalisiert und vor allem kontinuierlich zu bespielen, erweist sich in der Praxis als sehr erfolgreich. Das Marktforschungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass der Umsatz eines Unternehmens bis 2025 allein durch den Einsatz von Unified Commerce um mindestens 20 Prozent gesteigert werden kann. Umso verständlicher, dass Voraussetzung hierfür die ganzheitliche Übersicht über die Customer Journey auf allen Kanälen ist.
Erreicht wird diese Durchgängigkeit durch die Integration der Kommunikationskanäle auf einer einzigen Plattform. Die konsistente Verwaltung der gesamten Customer Experience über alle Touchpoints hinweg - sowohl in der physischen als auch in der digitalen Welt - ist eine Leistung, die der Omnichannel Commerce nicht bieten kann.
Kurzum: Unified Commerce ist für Anbieter das Gebot der Stunde, wenn es darum geht, alle Kanäle on- und offline (stationär) nahtlos miteinander zu verknüpfen und damit sicherzustellen, dass Kundinnen und Kunden beliebig zwischen allen Kanälen ohne Brüche wechseln können.
Mehr zu Unified Commerce im Blog-Beitrag meines Kollegen René El Fatuaki.
Fazit
Unser Exkurs zu den Commerce-Arten zeigt – es haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Herangehensweisen zur erfolgreichen Begleitung der Customer Journey entwickelt. Alle vier genannten Arten haben – jede für sich gesehen – ihre 100-prozentige Daseinsberechtigung. Geht es darum, im Wettbewerb zu bleiben, in dem man Kundinnen und Kunden in den Mittelpunkt stellt und alle Kanäle um sie herum über eine einzige Plattform koordiniert, dann ist der Unified-Commerce-Ansatz dem Omnichannel Commerce vorzuziehen. In diesem Kontext kommt dann auch der Composable Commerce mit dem Best-of-Breed-Ansatz ins Spiel.
Habt ihr Fragen dazu? Dann sprecht mich doch gerne an.