28. Dezember 2023 von Yelle Lieder
Green IT im Alltag – digitale Tools nachhaltig nutzen
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und viele nehmen dies zum Anlass, sich für das neue Jahr etwas vorzunehmen. Mehr Sport treiben, weniger Fleisch essen oder endlich den Passwortmanager im Browser aufräumen - die Vorhaben und Wünsche sind vielfältig. Vom Brauch an sich kann man halten, was man will, aber wenn er hilft, das Bewusstsein für wichtige Themen zu schärfen, sollte man die Gelegenheit nutzen. In diesem Blog-Beitrag möchte ich daher ein wenig Inspiration für Neujahrsvorsätze geben, um das eigene digitale Leben nachhaltiger zu gestalten.
CO2-Budget-Überschreitung durch IT-Nutzung
Eine durchschnittliche Person in Deutschland verursacht durch die Nutzung digitaler Lösungen rund 850 Kilogramm Treibhausgasemissionen. Woher die Emissionen im Einzelnen kommen, hat das Öko-Institut in Abbildung 1 dargestellt. 850 Kilogramm mögen nicht viel erscheinen, wenn man bedenkt, dass wir in Deutschland insgesamt rund 12 Tonnen pro Kopf und Jahr emittieren. Vor dem Hintergrund eines klimaverträglichen CO2-Budgets von zwei Tonnen pro Kopf sprechen wir aber von knapp 42 Prozent unseres Budgets, die allein durch die Nutzung von IT verbraucht werden.
Nachhaltige Nutzung digitaler Werkzeuge
Natürlich sollten wir unseren Laptop abends ausschalten und nicht einfach zuklappen. Und natürlich sollten wir nicht alle zwei Jahre das neueste Smartphone kaufen. Aber es gibt viele Handlungsoptionen, die über die seit Jahren gepredigten Empfehlungen hinausgehen.
E-Mails nachhaltig nutzen
Jede E-Mail verbraucht Ressourcen und belastet die Umwelt. Der überwiegende Teil des weltweiten E-Mail-Verkehrs ist Spam. Der erste Schritt zu einer nachhaltigeren E-Mail-Nutzung ist daher der Einsatz eines Spam-Filters; welchen Unterschied das macht, zeigt Tabelle 1. Darüber hinaus sollte der Empfängerkreis sorgfältig ausgewählt werden, E-Mails sollten nicht an unnötig große Verteiler versendet und überflüssige Dankes- und Bestätigungs-E-Mails minimiert werden. Wenn Anhänge verschickt werden müssen, sollte die Datei nicht in der E-Mail verschickt werden. Stattdessen sollte die Datei in einem Cloud-Speicher wie OneDrive oder Dropbox bereitgestellt und nur der Link zum Cloud-Speicher in der E-Mail versendet werden. So wird die Datenlast für die Übertragung der Datei nur bei den Empfängern erzeugt, die tatsächlich auf den Link klicken und auf die Datei zugreifen wollen.
Nachhaltig browsen
Das eine Google-Suche so viel Energie verbraucht, wie das Kochen einer Tasse Tee ist ein Fakt, der sich seit längerem großer Beliebtheit erfreut. Auch das die Umweltauswirkungen durch neue Anwendungsfälle des maschinellen Lernens zunehmend steigend hat es mittlerweile in das Bewusstsein der Allgemeinheit geschafft. Konkret standen dazu zuletzt die Umweltauswirkungen durch Chatanwendungen wie ChatGPT in der Diskussion, die deutlich mehr Ressourcen verbrauchen, als einfache Google Suchen. Wenn man ChatGPT selbst fragt, gibt es an 1567 Prozent mehr Energie für eine Anfrage zu verbrauchen als eine Google-Suche. Nun darf man dem Chatbot nicht blind vertrauen und tatsächlich belastbare Daten sind rar, eine neue Studie von Huggingfaces und der Carnegie Mellon University zeigt jedoch, dass die Zahl jedenfalls von der Größenordnung her nicht weit weg von der Realität sein dürfte. Die logische Schlussfolgerung für die nachhaltige Suche nach Informationen ist, generative KI nur für Anfragen zu nutzen, die sich nicht mit einer einfachen Google-Suche beantworten lassen.
Speziell austauschbare Anwendungen, die im Kern dieselbe Funktion erfüllen – etwa Browser – können einfach durch nachhaltige Alternativen abgelöst werden und es bestehen viele Auswahlmöglichkeiten. Das Unternehmen Green Spector vergleicht dazu regelmäßig verschiedene Anwendungen gleicher Kategorien wie Browsern, Videokonferenz-Tools oder Dating Apps. Bei der Wahl eines nachhaltigen Browsers empfiehlt sich zudem die Verwendung eines Ad-Blockers, da dieser den mit dem Endgerät ausgetauschten Datenverkehr minimiert. Gleiches gilt für das Tracking auf Webseiten, das oft zusätzliche Datenlast erzeugt - Browser wie Brave oder Firefox blockieren viele der gängigen Tracking-Tools bereits standardmäßig.
Ein kleiner, aber wirksamer Tipp: die Startseite des Browsers aufräumen. Standardmäßig sind Nachrichtenseiten mit vielen Medieninhalten oft das erste, was man sieht, wenn man einen neuen Browser öffnet. Wer diese Funktion nicht wirklich nutzt, spart Ressourcen, indem er alternativ beispielsweise eine leere Seite als Standard einstellt.
Zum nachhaltigen Surfen fehlt nur noch die nachhaltige Suchmaschine. Ecosia schneidet im Green Spector Ranking im Durchschnitt sehr gut ab und spendet gleichzeitig einen Großteil der Einnahmen für den Umweltschutz - doppelt nachhaltig sozusagen.
Nachhaltige Einstellungen digitaler Werkzeuge
Die Aktivierung des Darkmode in Anwendungen kann dazu beitragen, den Stromverbrauch des Endgeräts während der Nutzung zu reduzieren. Einige Bildschirmtypen benötigen weniger Energie, um gesättigte/dunkle Farben darzustellen, da die Pixel auf dem Bildschirm weniger aufgehellt werden müssen. Da der Bildschirm bei vielen Endgeräten einen erheblichen Teil des Stromverbrauchs ausmacht, kann sich die Entscheidung für den Darkmode aus ökologischer Sicht schnell auszahlen. Bei Geräten mit OLED-Displays kann dieser Effekt die Akkulaufzeit von Mobiltelefonen um bis zu neun Prozent verlängern, der Anteil von OLED-Displays am Markt nimmt zudem stetig zu.
Das Betrachten von Videos in geringer Auflösung macht in der Regel keinen Spaß. Wenn das Bild selbst aber ohnehin zweitrangig ist - etwa beim Musikhören auf YouTube - schadet es dem Erlebnis meist nicht, die Streaming-Qualität des Videos etwas zu reduzieren. Gleiches gilt für die Nutzung auf Smartphones, die kleinen Bildschirme können die für PCs konzipierten hohen Auflösungen ohnehin nur eingeschränkt wiedergeben, so dass es sich auch hier lohnt, die Streaming-Qualität standardmäßig zu reduzieren.
Anknüpfend an das Streaming bietet es sich an, häufig gehörte Lieblingssongs in den Musikplayer der Wahl herunterzuladen, anstatt sie jedes Mal neu über das Internet zu streamen. Am Beispiel von Spotify ist diese Funktion leider nur im Premium-Abonnement verfügbar - wer ein solches hat, kann aber aktiv zur Datensparsamkeit und damit zur Reduzierung des Energieverbrauchs der Übertragungsnetze beitragen.
Nachhaltigkeit kommt leider selten ohne Zielkonflikte aus. Wir haben in den letzten Jahren gelernt, dass viele Termine nicht unbedingt Reisen erfordern und viele Abstimmungen über Videokonferenz-Tools gelöst werden können. Umso wichtiger wird der persönliche Kontakt. Um die zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen und soziale Kontakte zu knüpfen, ist es daher nur allzu verständlich, dass die Netiquette für Online-Meetings vorsieht, bei persönlichen Meetings die Kameras eingeschaltet zu lassen. Daher an dieser Stelle nur der Hinweis - man kann es auch übertreiben und es gibt im Alltag sicher genügend Gelegenheiten, die Kamera auch mal auszuschalten und damit etwas Bandbreite zu sparen.
Digitale Ressourcen löschen für mehr Nachhaltigkeit
Je mehr Daten wir speichern, desto mehr physische Speichermedien müssen produziert und schließlich entsorgt werden. Jede gespeicherte Information erzeugt zudem zusätzlichen Ressourcenverbrauch bei der Suche und Indexierung. Auch die reine Speicherung und Bereitstellung von Daten verbraucht kontinuierlich Energie. Schätzungen gehen von ca. Wh/TBh für Festplatten und 1,52 Wh/TBh für SSD-Speichermedien aus.
Datenmüll zu vermeiden hilft also nicht nur den Überblick zu behalten und effektiver zu arbeiten, sondern auch die Umwelt zu schonen. Das regelmäßige Löschen von E-Mails im Papierkorb und von nicht mehr benötigten Dateien im Download-Ordner sollte daher selbstverständlich sein. Häufig übersehene digitale Ressourcen, die sich mit der Zeit gerne ansammeln, sind zudem Chats und Channels in Kommunikationslösungen wie Teams oder Slack, Boards und Projekte in Kollaborationstools wie Miro, Trello oder Asana sowie nicht mehr benötigte Accounts bei Online-Diensten und Cloud-Speicher.
Verantwortung für digitale Nachhaltigkeit
Es geht in diesem Artikel nicht darum, die Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen. Die Kollektivierung der Verantwortung für die (nicht) Erreichung der Klimaziele ist im Wesentlichen eine PR-Kampagne der Öl- und Gasindustrie. Solange das Geschäftsmodell von 100 Unternehmen rund 70% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortet, haben wir größere Probleme als ungenutzte Apps auf dem Smartphone. Ebenso wäre es jedoch falsch anzunehmen, dass die Handlungen einzelner gar keinen Unterschied machen. Das Modell für die Verantwortung in der digitalen Nachhaltigkeit – in Abbildung 2 zu sehen - von der Sustainable Digital Infrastructure Alliance gibt einen geeigneten Startpunkt für den Diskurs, zu welchem Grad Nutzende tatsächlich in die Verantwortung genommen werden sollten.
Es geht hier nicht darum, die Verantwortung auf den Einzelnen abzuwälzen. Die Kollektivierung der Verantwortung für die (Nicht-)Erreichung der Klimaziele ist im Wesentlichen eine PR-Kampagne der Öl- und Gasindustrie. Solange das Geschäftsmodell von 100 Unternehmen rund 70% der weltweiten Treibhausgasemissionen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, haben wir größere Probleme als ungenutzte Apps auf dem Smartphone. Es wäre aber auch falsch anzunehmen, dass das Handeln Einzelner keinen Unterschied macht. Das in Abbildung 2 dargestellte Verantwortungsmodell für digitale Nachhaltigkeit der Sustainable Digital Infrastructure Alliance bietet einen geeigneten Ausgangspunkt für die Diskussion, inwieweit Nutzerinnen und Nutzer tatsächlich in die Verantwortung genommen werden sollten.
Eigentlich müsste die Betrachtung um die Betrachtung der Hardware erweitert werden, da hier oft die höchste ökologische Effizienz vorliegt. Dies würde aber aufgrund des Umfangs fast einen eigenen Blog-Beitrag erfordern. Daher hier nur kurz: Aspekte für einen nachhaltigeren Umgang mit IT-Hardware für Nutzerinnen und Nutzer sind beispielsweise die Beachtung von Repairability Scores und Umweltzeichen wie dem Blauen Engel bei der Beschaffung, der Verzicht auf weiße Tastaturen und Mäuse - da diese schneller vergilben -, die Verwendung von Schutzhüllen und der Verzicht auf Aufkleber und Brandings auf Laptops - da diese so besser recycelt werden können. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Ich hoffe, dass ich mit diesen Tipps und Tricks einige nützliche Anregungen für mögliche Neujahrsvorsätze geben konnte. Viel Erfolg dabei und einen guten Rutsch ins neue Jahr!