18. März 2024 von Yelle Lieder
Green IT - Bausteine einer ökologisch nachhaltigen Unternehmens-IT
CIOs und CTOs werden sich in den kommenden Jahren intensiv mit Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit auseinandersetzen müssen. Laut einer Befragung von Intel aus dem Jahr 2023 sehen 81 Prozent der über 2.000 Befragten „Green IT“ ganz oben auf ihrer Agenda. Auch Gartner identifiziert „Sustainable Technology“ unter den Top drei strategischen Technologietrends für 2024. IT-Bereiche müssen einen Beitrag zu den Unternehmenszielen und damit zunehmend auch zu den Nachhaltigkeitszielen leisten, sei es über Systeme zum Management von Nachhaltigkeitsdaten oder eben zur Reduktion des eigenen Footprints. Um nicht in blinden Aktionismus zu verfallen, müssen Verantwortliche daher eine auf bestehende Unternehmens- und IT-Strategien abgestimmte Green-IT-Strategie entwickeln und Maßnahmen ableiten. In diesem Blog-Beitrag zeige ich auf, welche Bausteine eine solche Strategie enthalten kann.
Ist Green IT für alle Unternehmen relevant?
Jedes Unternehmen muss sich die Frage stellen, ob seine IT einen relevanten Anteil an seinen Emissionen verursacht. Abbildung 1 zeigt, dass insbesondere Unternehmen aus dem Finanzsektor einen anteilig hohen IT-Footprint aufweisen. Für Unternehmen, deren Fußabdruck zu einem großen Teil von der IT verursacht wird, hat die Steigerung der Nachhaltigkeit ihrer IT einen besonders hohen Wirkungsgrad für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.
Aber auch Unternehmen anderer Branchen dürfen die Nachhaltigkeit ihrer IT nicht ignorieren. Wer insgesamt nachhaltiger werden will, kann nicht akzeptieren, dass einzelne Unternehmensbereiche keinen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie gehört einfach auch eine nachhaltige IT, selbst wenn deren Anteil an den Gesamtemissionen eher gering ist. Daher sieht man neben vielen Unternehmen aus dem Finanzsektor auch immer mehr Unternehmen, die sich um Green IT bemühen - zum Beispiel Tourismusunternehmen oder Haushaltsgerätehersteller - bei denen es auf den ersten Blick weitaus relevantere Nachhaltigkeitsherausforderungen geben mag. Wer ganzheitlich nachhaltig und in Zukunft digitaler werden will, kommt an der IT nicht vorbei.
Nachhaltigkeit der IT bewerten
Der erste Schritt zu einer nachhaltigen IT ist das Verständnis des Status quo. Kopfloser Aktionismus hilft nicht, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Nur eine datenbasierte Maßnahmenplanung ermöglicht Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit einer Green-IT-Strategie. Es muss also eine Baseline geschaffen werden, von der aus dann Optimierungen geplant, umgesetzt und im Nachhinein evaluiert werden können.
Unzureichende Methoden zur Bewertung der Umweltauswirkungen von IT auf Kundenseite und intransparente oder irreführende Angaben der Anbieter stellen derzeit wohl die größte Herausforderung für Unternehmen im Bereich Green IT dar. Im Vergleich zum klassischen "spend based carbon accounting" liefern LCA-Methoden nicht nur wesentlich realistischere Ergebnisse, sondern sind aufgrund ihrer höheren Granularität auch wesentlich aussagekräftiger für die Entscheidungsfindung. Abbildung 2 zeigt gut, warum diese häufig angewandte und rechtlich zulässige Hochrechnung von Kosten auf Umweltwirkungen - also das "spend based carbon accounting" - meist nicht zielführend ist. Mehr Kosten sind eben nicht immer mit mehr Emissionen verbunden.
Als Grundlage für die Bewertung des aktuellen IT-Footprints bieten sich IT-Inventarlisten, Telemetriedaten aus Rechenzentren, Daten aus dem IT-Controlling sowie Observability, Logging und Tracking-Daten aus Applikationen an. Aus diesen Daten lassen sich grob die im Einsatz befindliche IT-Hardware, deren möglicher Stromverbrauch sowie Daten zur zeitlichen Lastverteilung und zum verwendeten Energiemix ableiten. Nach einem einmaligen Reporting bietet es sich zudem an, die erschlossenen Datenquellen automatisiert in einem konsistenten Datenmodell zusammenzuführen und damit eine Ausgangsbasis für den Aufbau eines kontinuierlichen Monitorings zu schaffen. Weitere Einblicke in die Messung der Nachhaltigkeit von Software finden sich in meinem Blog-Beitrag zum Thema „Nachhaltigkeit von Software testen“.
Nachhaltiges IT Provider Management
Nachdem die intern verfügbaren IT-Nachhaltigkeitsdaten erschlossen sind, sollte der nächste Schritt über die Provider erfolgen. Da die Bereitstellung von Daten in belastbarer Qualität durch die Provider erfahrungsgemäß ein langwieriger Prozess ist, sollten erste Gespräche hierzu möglichst frühzeitig initiiert werden. Die erfolgreiche Erhebung einer internen Baseline kann dabei als erster Erfolg genutzt werden, um weitere Akteure zum Mitziehen zu motivieren. Da ein erheblicher Teil der IT-Emissionen nicht in den Unternehmen selbst, sondern bei externen Providern - also im Scope 3 nach GHG - anfällt, sind Maßnahmen hier häufig auch aufgrund von Skaleneffekten, die sich auf mehrere Kunden des Providers übertragen, besonders wirkungsvoll. Hier ist es wichtig, alle Provider - egal ob Hardware-Leasing, SaaS, Cloud oder Managed Services - frühzeitig einzubeziehen und die Anforderungen schrittweise zu erhöhen. Sobald Daten vorliegen, sollten klare Vergabekriterien in Abhängigkeit von der Baseline definiert werden. Es ist niemandem mit überambitionierten Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit geholfen, wenn sich in der Folge Anbieter nicht mehr um Aufträge bewerben. Vielmehr sollten gemeinsam ambitionierte, aber erreichbare Roadmaps für eine inkrementelle Optimierung der beschafften Produkte und Dienstleistungen definiert werden. Viele Anbieter sind bereit, einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele ihrer Kunden zu leisten, aber auch sie müssen zunächst die richtigen Prozesse etablieren, um eine hohe Datenqualität und geringere Umweltauswirkungen sicherzustellen.
Nachhaltige Softwareentwicklung als Teil von Green IT
Der klassische Begriff Green IT klingt für manche veraltet und wird oft mit Rechenzentren und PC-Arbeitsplätzen in Verbindung gebracht. Eine ganzheitliche Green IT-Strategie sollte jedoch nicht nur die physische Infrastruktur berücksichtigen, da der Betrieb von Hardware immer auch der Bereitstellung von Softwarelösungen dient. Erfahrungen zeigen, dass die Optimierung von Rechenzentren - aufgrund der ökologischen Herstellungskosten von IT-Equipment und der Unterauslastung vieler Rechenzentren - oft ein größeres ökologisches Gesamtpotenzial bietet als die Optimierung von Softwaresystemen. Die Außerbetriebnahme von Geräten und die Vermeidung von Neuanschaffungen bieten einen erheblichen ökologischen Mehrwert. Dennoch ist es in den meisten Fällen sinnvoll, die Optimierung von Betriebsumgebungen - sei es in Rechenzentren oder bei Client-Hardware - erst dann vorzunehmen, wenn die darauf betriebene Software bereits optimiert wurde. Andernfalls gerät man in einen Optimierungskreislauf, in dem die Hardware immer wieder an die neue, schlankere Hardware angepasst wird. Eine nachhaltige IT funktioniert also nicht ohne eine nachhaltige Softwarelandschaft. Ansatzpunkte zur Steigerung der Nachhaltigkeit auf Softwareebene finden sich in meinem Blog-Beitrag zum Thema „Nachhaltige Softwarearchitektur“.
Green Office IT Equipment
Bei der Auswahl von Lieferanten sollten Zertifizierungen und Umweltzeichen als Vergabekriterien berücksichtigt werden. Hardware sollte nach Umweltstandards wie Blauer Engel oder Energy Star zertifiziert sein. Hersteller sollten Daten über die Umweltauswirkungen zur Verfügung stellen, um eine Ökobilanz zu ermöglichen. Angaben zum Repairability Score werden für eine Kreislaufwirtschaft immer wichtiger. Die Definition von festen Ausstattungskonzepten erleichtert das Green IT Reporting, indem ein festes Set an IT-Ausstattung und Peripherie entlang von Rollen und Anforderungsprofilen im Unternehmen definiert wird. Dies reduziert die Heterogenität der IT-Landschaft und erhöht die Kompatibilität der Hardware. Auf Basis der Ausstattungsblöcke können Nachhaltigkeitskennzahlen erhoben werden, was die Inventarisierung erleichtert. Konzepte wie Sharded Desk Policies oder Thin Clients können den Gesamtbedarf an Hardware reduzieren. Am Ende des Lebenszyklus von IT-Hardware sollte über deren Verbleib nachgedacht werden. Refurbishment-Anbieter bieten häufig Full-Service-Lösungen an, bei denen die Hardware entweder datenschutzkonform auf dem Sekundärmarkt verkauft oder recycelt wird.
Nachhaltige Rechenzentren
Absolut gesehen haben Verbesserungsmaßnahmen im Rechenzentrum wahrscheinlich einen der höchsten Wirkungsgrade aller Green-IT-Maßnahmen. Wie im Abschnitt zum Software-Engineering beschrieben, sollte jedoch nicht beim Rechenzentrum angesetzt werden, sondern vielmehr die Dimensionierung der Rechenzentren - also nach der Optimierung der Software - an die neue Realität angepasst werden. Dieses Redimensionieren oder Downsizing hat oft zur Folge, dass nicht mehr benötigte Hardware abgeschaltet und verkauft wird. Denn die Auslastung der Geräte ist entscheidend für deren Energieverbrauch. Unterausgelastete Geräte verbrauchen auch im Leerlauf unverhältnismäßig viel Energie, weshalb es sinnvoll ist, die Arbeitslasten mehrerer Geräte auf weniger Geräte zu konzentrieren und so von einem besseren Verhältnis zwischen Arbeitsleistung und Energieverbrauch zu profitieren. Der Zusammenhang zwischen Auslastung und Energieverbrauch eines generischen Servers ist in Abbildung 3 dargestellt.
Weitere Maßnahmen zur nachhaltigeren Gestaltung von Rechenzentren sind Kalt-Warmgangprinzipien, bei denen die Abwärme von der Kälteversorgung getrennt wird, die Anschaffung energieeffizienterer Hardware oder die Anhebung der allgemeinen Betriebstemperatur. Häufig reicht es aus, die Drehzahl der Kühlventilatoren zu reduzieren, um ohne Leistungseinbußen Strom zu sparen.
Zusammenführung der Einzelteile in einer Green IT Strategie
In diesem Blog-Beitrag haben wir nur einen kleinen Teil der möglichen Lösungsbausteine einer nachhaltigen IT betrachtet. Die Kenntnis der Bausteine ist eine Grundvoraussetzung, um die Handlungsoptionen innerhalb einer Green IT Strategie zu kennen und bedarfsgerecht einzusetzen. Für die Operationalisierung der Aktivitäten fehlt jedoch noch die strategische Dimension.
- Unter welchen Rahmenbedingungen werden die Maßnahmen umgesetzt?
- Gibt es Wechselwirkungen mit anderen Unternehmenszielen?
- Welcher Zielreifegrad wird angestrebt?
- Welcher Mehrwert ist über die ökologischen Aspekte hinaus zu erwarten?
- Und wie sieht ein strukturiertes Vorgehen aus, das auch zur Organisationskultur passt?
Ein bloßes Abarbeiten der dargestellten Punkte ist daher wenig erfolgversprechend. Was es braucht, ist ein strategischer Rahmen, der ausgehend von den Zielen der Organisation die richtige Kombination und Ausprägung der vorgestellten Bausteine definiert.
Bereit für nachhaltigen Erfolg? Startet jetzt mit adesso! Von der Strategie bis zur Umsetzung - gemeinsam machen wir es möglich. Kontaktiert uns noch heute für eine nachhaltigere Zukunft!