4. Februar 2021 von Sacha Catelin
Erstversicherer im 360°-Blick des Rückversicherers
Viele Informationen werden benötigt
Aufgrund des derzeit schwierigen Marktumfeldes stehen Rückversicherer momentan vor großen Herausforderungen. Neben dem Umbruch des Versicherungsmarktes aufgrund der Niedrigzinsphase, sorgen auch die unsicherere aktuelle Situation und die Digitalisierung für ein komplexes Umfeld. Es bedarf dabei immer schnellerer Entscheidungen, die ihrerseits wiederum auf größer werdenden Datenmengen fußen.
Rückversicherer benötigen beim Kontakt mit dem Erstversicherer beziehungsweise beim Neugeschäft und in der Erneuerungsphase eine Vielzahl von Informationen. Einen kleinen Ausschnitt davon, zeigt die folgende Abbildung.
Diese Daten sind im Normalfall über eine Vielzahl von Systemen verteilt, etwa über die Bestandsverwaltung und Rückversicherung, Underwriting- und Pricing-Systeme, Claims-Systeme oder Mail-Systeme. Dadurch entstehen hohe (manuelle) Aufwände, um eine einheitliche Sicht auf den Erstversicherer zu erhalten.
Hier können Rückversicherungen durch die Einführung eines CRM-Systems unterstützt und die Aufwände reduziert werden. Die Daten aus den verschiedenen, oben aufgelisteten, Umsystemen werden integriert, aufbereitet und um weitere Informationen angereichert. Hierbei kann auch auf externe Datenquellen (zum Beispiel AM Best) zurückgegriffen werden.
Pflege von Informationen im CRM-System
Daten zu Verträgen können aus einem Bestandsverwaltungssystem (zum Beispiel SAP FS RI) importiert werden. Dazu gehören Informationen zu Treaties und Layer, wozu Laufzeiten, Vertragssummen, der Anteil des Rückversicherers, die Art des Vertrags (Proportional, Non-Proportional, etc.) und die Sparte (Casualty, Aviation, Property, etc.) zählen.
Daten zu Geschäftstätigkeiten werden direkt im CRM-System erfasst. Dazu gehören beispielsweise die Verkaufschancen (Opportunities) für das Neu- und Erneuerungsgeschäft. Hier kann ein Verkaufsprozess mit verschiedenen Schritten (dazu zählen die Kalkulation, das Angebot sowie der Abschluss) innerhalb des CRM abgebildet werden.
Ebenso werden die Daten zu den Kontakten und Ansprechpersonen beim Erstversicherer im CRM-System gepflegt. Termine können erfasst und Besuchsberichte erstellt werden. Darauf aufbauend kann auch die Kontakthistorie (E-Mails, Telefonate, Besuche, etc.) angezeigt werden – inklusive der besprochenen Themen.
Wie im bereits erschienenen Blog-Beitrag zum Thema „Rückversicherungen im Wandel – Vom Risikoträger zum Serviceleister“ beschrieben, werden Zessionäre in Zukunft immer mehr auch als Serviceleister auftreten. Hier kann ein CRM-System unterstützen, indem der Servicekatalog bestimmte Serviceprodukte im System abbildet. Dazu zählen unter anderem Systeme zur Risiko- und/oder Leistungsprüfung oder auch Serviceleistungen wie die Analyse des individuellen Rückversicherungsbedarfs sowie zur Ausgestaltung des Rückversicherungsprogramms. Diese können dem Zedenten gezielt angeboten werden.
Den Überblick mit einer 360°-Übersicht behalten
Auf Basis der oben beschriebenen Daten kann für die verschiedenen Nutzergruppen (Underwriter, Client Manager, Account Manager, Claims Manager, Spezialisten, etc.) eine 360°-Übersicht über den Erstversicherer erstellt werden. Diese hilft, den Überblick über die einzelnen Erstversicherer im Neugeschäft sowie in der Erneuerungsphase zu behalten, die nächsten Schritte zu planen und Geschäftstätigkeiten zu koordinieren. Das CRM-System unterstützt zudem auch dabei, den Informationsfluss zwischen den verschiedenen Abteilungen und Bereichen zu optimieren.
Eine derartige Übersicht kann beispielsweise die folgenden Daten enthalten:
- Grunddaten zu einem Erstversicherer: hier können neben den Basisdaten auch Informationen zur Unternehmensstruktur (Hierarchien) oder externe Daten (AM Best News, AM Best Rating, etc.) einbezogen werden
- Überblick über Kontakte (inklusive Historie), Besuchsberichte, Aktivitäten und/oder Aufgaben, etc.
- Vertragsdaten für Treaties und Layer zum Erstversicherer – inklusive der Laufzeiten und Prämien
- Aktueller Stand zu den Geschäftstätigkeiten mit einem Überblick über den Status von neuen und zu erneuernden Verträgen
- Überblick über Serviceprodukte, die beim Erstversicherer im Einsatz sind und Serviceleistungen, die durchgeführt wurden
Mit Hilfe der gesammelten Informationen und erfassten Daten können spezielle Reports für die verschiedenen Ebenen innerhalb der Rückversicherung (Management, Bereiche Life und Non-Life, Abteilungen) bereitgestellt werden. Die Underwriter können beispielsweise für ihre Treffen bei Rückversicherungskonferenzen in Baden-Baden und Monte Carlo (sei es Online oder vor Ort) mit speziellen Kundendossiers unterstützt werden, welche die wichtigsten Informationen kompakt zusammenfassen.
Chancen erkennen und nutzen durch den Einsatz von CRM
Ein CRM-System bietet Rückversicherern die folgenden Vorteile:
- Eine 360°-Übersicht über den Erstversicherer unter Einbeziehung interner und externer Daten,
- die bessere Unterstützung des Vertriebes im Neugeschäft und in der Erneuerungsphase sowie in der Vertriebssteuerung durch eine einheitliche, konsistente Datenbasis,
- eine bereichsübergreifende Qualifizierung von Erstversicherern und das Erkennen von Verkaufschancen und
- eine zentrale Dokumentation von Kundeninteraktionen und die übergreifende Koordination der nächsten Schritte.
So können Rückversicherer durch die Einführung eines CRM-Systems unterstützt und die Aufwände reduziert werden. Die Daten aus den verschiedenen internen und externen Quellen beziehungsweise Umsystemen werden integriert, aufbereitet und damit kundenzentriert angereichert.
Auch der Erstversicherer profitiert davon: Auf Basis der umfassenden Datenzusammenführung und Datenhistorie kann der Rückversicherer neben dem Rückversicherungsschutz passgenaue Services anbieten.
Erste Schritte auf dem Weg zu einem CRM-System
Entscheidet sich ein Rückversicherer dafür, den Weg zu einem CRM-System zu beschreiten, so kann man in einer ersten Phase mit Hilfe des folgenden Vorgehens von der Anforderungsermittlung zu einem ersten Proof-of-Concept gelangen.
1. Durchführung eines Interaction Rooms (auch in Form einer Remote-Variante möglich): Ermittlung und Priorisierung der Anforderungen an die CRM-Prozesse und die zu integrierenden Systeme mit einer Handlungsempfehlung.
2. Vorbereitung des CRM-Auswahlverfahrens: Aufstellung, Detaillierung und Gewichtung des Anforderungskatalogs. Dieser Schritt baut auf den konsolidierten Ergebnissen des Interaction Rooms aus dem ersten Schritt auf.
3. Unterstützung beim Beschaffungs- und Auswahlprozess mit Herstellern: Ziel ist es, den im zweiten Schritt definierten Anforderungskatalog mit den Herstellern zu befüllen und zu bewerten. Die Erstellung und Auswertung einer Long List und die Durchführung von Herstellerpräsentationen werden ebenfalls erledigt.
4. Erstellung einer Short List und Durchführung eines Proof of Concept: Dies dient zur Validierung des im zweiten und dritten Schritt identifizierten Ziels, Lieferanten einem Praxistest mit der/den ausgewählten Lösungen zu unterziehen.
Unterschiedliche Lösungsumgebungen bieten sich an
Die folgende Abbildung fasst nochmals die wichtigsten Punkte zusammen.
Verschiedene Systeme liefern den Input für das CRM-System, um dem Nutzer eine 360°-Übersicht über den Erstversicherer zu bieten. Für die Pflege aller Informationen rund um Kontakte, Geschäftstätigkeiten, Marketing und Service stellt das CRM-System das führende System dar.
Für die Implementierung bieten sich verschiedene Lösungsumgebungen an. Dazu gehören beispielsweise Salesforce oder Microsoft Dynamics 365. Damit kann der Bereich des sogenannten operativen CRM abgebildet werden.
Wie geht es weiter?
Darüber hinaus kann auch das „analytische CRM“ – Reporting, Business Intelligence, Analysen – umgesetzt werden. Dies kann zum Beispiel auf Basis der Microsoft Analytics Plattform und Power BI erfolgen. Auf dieses Thema werde ich allerdings in einem weiteren Blog-Beitrag Bezug nehmen.