24. Juni 2024 von Yelle Lieder
Digital Nachhaltig - Guidelines zur nachhaltigen Nutzung digitaler Tools
Unternehmen wollen und müssen nachhaltiger werden. Alle Unternehmen, die in Zukunft digitaler werden oder bereits viel IT im Einsatz haben, müssen sich vor diesem Hintergrund auch mit den Umweltauswirkungen ihrer IT auseinandersetzten. Dabei geht es primär um die großen Entscheidungen wie Beschaffung, Architektur, Betriebsmodelle und Obsoleszenz Vermeidung. Aber auch während der Nutzungsphase von IT haben Unternehmen einen relevanten Einfluss auf die Nachhaltigkeit ihrer IT. Einschlägige Handlungsempfehlungen für Anwenderinnen und Anwender zu dieser Thematik sind so vielfältig wie die Anwendungsszenarien selbst. Deshalb passen generische Guidelines auch nie vollständig zu jedem Unternehmen. Aus unterschiedlichen Projektkontexten bei unseren Kunden und unserer eigenen Arbeit bei adesso, haben sich jedoch gewissen Regelmäßigkeiten erkannt, die wie in diesem Blog-Beitrag daher gerne als Empfehlung aussprechen möchten.
Das Ergebnis sind 10 Empfehlungen für Enduser, für die nachhaltige Nutzung digitaler Werkzeuge.
1. Datensparsamkeit
Eine effektive Datenverwaltung ist der erste Schritt zu einer nachhaltigen IT. Regelmäßiges Bereinigen unnötiger Daten durch Löschen alter Dateien, Deinstallieren ungenutzter Anwendungen und Organisieren des E-Mail-Posteingangs reduziert die digitale Unordnung. Dies führt zu einer effizienteren Speichernutzung und einem geringeren Energieverbrauch für Datenverwaltungsprozesse. Jede Datei, die auf einem Server gespeichert ist, benötigt Energie für ihre Speicherung und Sicherung. Hinzu kommen die Ressourcenaufwände für Backups, Synchronisationen und die ökologischen Herstellungskosten der Hardware. Daher trägt das Löschen unnötiger Daten direkt zur Reduzierung des Energieverbrauchs bei. Dabei sollten nicht nur klassische Dateien, sondern auch digitale Ressourcen wie Jira- und Confluence-Spaces, Menti-Umfragen, Notion-Seiten und Teams-Channels regelmäßig bereinigt werden.
2. E-Mail-Nutzung
E-Mails sind ein unverzichtbarer Bestandteil des modernen Arbeitslebens, können jedoch eine erhebliche Serverlast verursachen. Ein paar konkretere Zahlen dazu finden sich in diesem Blog-Beitrag zu Green IT im Alltag. Der Datenverkehr lässt sich reduzieren, indem man sich von Newslettern abmeldet, die nicht mehr gelesen werden und Empfängergruppen sorgfältig auswählt. Zudem sollten Anhänge möglichst komprimiert oder alternative Dateifreigabe-Tools – wie OneDrive oder Dropbox - genutzt werden, um den Datenverkehr weiter zu reduzieren. Durch die Minimierung unnötiger Datenübertragung in Form von E-Mails müssen Spamfilter weniger aktiv werden und die digitale Infrastruktur, vom Client, über die Netzwerke bis zum Server benötigt weniger Ressourcen.
3. Energieeinsparung bei Geräten
Geräte sollten ausgeschaltet werden, statt sie beispielsweise über Nacht im Standby-Modus zu lassen. Diese offensichtliche Differenz zwischen Idealzustand und Realität wird von vielen als Phrase belächelt. Der ökologische Wirkungsgrad ist jedoch hoch, denn dem Stromverbrauch des Geräts steht im Standby-Modus keinerlei Nutzen gegenüber. Dies zeigt exemplarisch, dass die elektrische Leistungsaufnahme eines Laptops im Ruhezustand, der eines ladenden Smartphones entsprechen kann. Unternehmen, die also wirklich einen Beitrag zur Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele leisten möchten, sollten ihre Mitarbeitenden regelmäßig auf die Relevanz dieser Maßnahmen hinweisen.
4. Hardware-Pflege
Die Verlängerung der Lebensdauer von Geräten und die Förderung der Wiederverwendung sind wesentliche Maßnahmen zur Reduzierung des Elektronikmülls. Schutzhüllen helfen, Geräte vor Schäden zu schützen, und Aufkleber, die schwer zu entfernen sind, sollten vermieden werden. Dadurch wird die Nutzbarkeit der Geräte verlängert und die Notwendigkeit der Neuherstellung verringert, was erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Defekte Geräte sollten repariert anstatt sofort ersetzt werden, und alte Hardware sollte verantwortungsbewusst gespendet oder recycelt werden. Besonders wichtig ist dabei die Zweitverwertung: Geräte lassen sich besser im Refurbishment verkaufen, wenn sie gut gepflegt sind.
5. Technologieauswahl
Nachhaltige Optionen unter den digitalen Werkzeugen sind zu bevorzugen, wobei Faktoren wie Ressourcenverbrauch und Umweltauswirkungen berücksichtigt werden sollten. Die Entscheidung für umweltfreundliche Werkzeuge fördert die Entwicklung und Einführung nachhaltiger Technologien in der digitalen Landschaft. Umweltstandards der Hersteller sind zu prüfen, und Produkte, die mit geringem Energieverbrauch und aus recycelbaren Materialien hergestellt wurden, sollten gewählt werden. Für die Nachhaltigkeit gängiger digitaler Tools finden sich regelmäßig neue Vergleiche im Greenspector Blog – wie in Abbildung 1 zu sehen. Darüber hinaus sollte auch die Transparenz und Selbstverpflichtung von Anbietern sollte als Auswahlkriterium berücksichtigt werden.
6. Single Use Data
Der Ressourcenverbrauch lässt sich minimieren, indem vorhandene digitale Inhalte und Ressourcen wiederverwendet werden, wann immer dies möglich ist. Die Wiederverwendung von Inhalten verringert die Notwendigkeit, neue Daten zu erstellen, wodurch Ressourcen geschont und der mit der Erstellung von Inhalten verbundene Energieverbrauch gesenkt wird. Vorhandene Präsentationen oder Dokumente sollten genutzt und Inhalte innerhalb des Netzwerks geteilt werden, um den Bedarf an doppelter Arbeit zu reduzieren. Beispielsweise können KI-generierte Bilder für Präsentationen mehrfach verwendet werden, anstatt für jede Präsentation neue zu erstellen.
7. Problemangemessenheit
Komplexere Lösungen haben immer auch einen höheren Ressourcenbedarf. Digitale Werkzeuge sollten deshalb mit Bedacht ausgewählt und nur nach Bedarf eingesetzt werden, um unnötigen Ressourcenverbrauch zu vermeiden. Nicht jede Suchanfrage muss direkt über ein KI-Tool laufen und nicht jeder braucht für seine alltäglichen Notizen eine „All-in-One Produktivitätsplattform“.
8. Konfiguration
Der Energieverbrauch lässt sich minimieren, indem die Geräte und Softwarelösungen mit energieeffizienten Einstellungen konfiguriert und unnötige Funktionen deaktiviert werden. Optimierte Einstellungen reduzieren den Stromverbrauch und verlängern die Akkulaufzeit, was zu einem geringeren Energieverbrauch über die gesamte Lebensdauer des Geräts führt. Die Helligkeit des Bildschirms sollte angepasst, automatische Updates und Hintergrundprozesse, die nicht benötigt werden, deaktiviert und der Energiesparmodus des Geräts genutzt werden. Auch die Verwendung des Dark Mode und die Anpassung der Auflösung von Videos können zur Reduzierung des Energieverbrauchs beitragen. Bei mobilen Geräten bietet es sich zudem an, große Datenmengen lieber über stabile W-Lan Verbindungen, statt über instabile mobile Netzwerke zu übertragen.
9. Batteriemanagement
Das Laden von Geräten mit Batterien sollte in Zeiten erfolgen, in denen reichlich erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Das Aufladen während der Spitzenzeiten der erneuerbaren Energien verringert die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen und trägt so zu einem grüneren Energienetz bei. Spitzenzeiten für Solar- oder Windenergie in der Region sollten beachtet und die Ladegewohnheiten entsprechend angepasst werden. Entsprechende Infos findet man leicht im Browser bei 50hertz – wie in Abbildung 2 zu sehen, als Smartphone Widget bei StromGedacht, oder als MacOS Widget von miasma.
10. Bewusstseinsbildung
Wer seinen Wirkungsgrad über das eigene Handeln hinaus entfalten möchte, sollte sich zunächst selbst weiter informieren. Die vorliegenden Guidelines adressieren primär die offensichtlichen und gut verstandenen Aspekte. Gleichzeitig gibt es viele weitere wichtige Handlungsfelder, wie die Offlinenutzung, die Nutzung von Adblockern oder Entscheidungen in der Hardware-Beschaffung, die hier noch keine Berücksichtigung finden. Wer eine gute Intuition dafür entwickelt hat, welche Einflussfaktoren über die Nachhaltigkeit unseres digitalen Lebens entscheiden, kann auch andere dabei unterstützen. Ein gesteigertes Bewusstsein führt zu achtsameren digitalen Gewohnheiten und fördert nachhaltige Verhaltensweisen in der digitalen Welt. Kenntnisse und Erfahrungen können mit Kollegen, Freunden und Familie geteilt werden, um diese ebenfalls zu nachhaltigen digitalen Praktiken ermutigt werden. Eine gute Vertiefung bietet zum Beispiel der kostenlose „The Digital Collage“ Workshop.
Praxis
Unternehmen sind heute ständig auf der Suche nach neuen Wegen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die genannten Maßnahmen zur digitalen Nachhaltigkeit mögen als Common Sense gelten, doch in Unternehmen werden sie nur selten wirklich umgesetzt. Ohne entsprechende Schulungen und kontinuierliche Awareness-Programme werden diese Praktiken nicht „von alleine“ implementiert und verstetigt. Auf Unternehmensebene muss ein solcher Transformationsprozess der Verhaltensweisen mit strategischen Initiativen begleitet werden. Erfolge müssen mit KPIs messbar gemacht werden, und die Umsetzung darf nicht nur als Nice-to-have Projekt nebenher betrachtet werden. Change Management ist erforderlich, um eine Green-IT-Initiative erfolgreich zu implementieren.
Ausblick
Digitale Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit in einer zunehmend vernetzten Welt. Durch die Umsetzung der oben genannten Guidelines kann jeder dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck digitaler Aktivitäten zu verringern und eine umweltfreundlichere Zukunft zu gestalten. Speziell mit der zunehmenden Adaption von KI-Tools und der steigenden Nutzungsintensität von IT-Lösungen in unserem Alltag wird die umweltbewusste Nutzung zunehmend in den Fokus rücken. Wir wollen IT nutzen und von ihr profitieren, aber wir müssen es mit Sinn und Verstand machen, um damit nicht den Erhalt einer lebenswerten Umwelt zu gefährden.
Mehr über spannende Themen aus der Welt von adesso findet ihr in unseren bisherigen Blog-Beiträgen.