19. Dezember 2024 von Sarah Eckert
Barrierefreie Designsysteme: Grundlage für eine inklusive digitale Zukunft
Was ist digitale Barrierefreiheit und wieso ist sie wichtig?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, digitale Inhalte und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie für alle Menschen zugänglich und nutzbar sind. In einer digitalen Welt ist Barrierefreiheit entscheidend für Chancengleichheit und Inklusion. Der Zugang zu Informationen und Dienstleistungen bestimmt, wie umfassend Menschen an der Gesellschaft teilhaben können. Ohne barrierefreie Angebote stoßen Menschen mit Behinderungen auf große Hürden. Doch auch ältere Menschen oder Personen mit temporären Einschränkungen profitieren von solchen Angeboten.
Für Unternehmen und Organisationen bedeutet die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit eine Erweiterung ihrer Zielgruppe und die Möglichkeit, ihr Image als inklusiv und zukunftsorientiert zu stärken.
Was ist ein barrierefreies Designsystem und was kann es bieten?
Ein barrierefreies Designsystem stellt in einem Entwicklungsprozess digitaler Produkte die Zugänglichkeit für Alle von Anfang an in den Mittelpunkt. Barrierefreiheit wird dabei nicht als nachträgliche Anpassung verstanden, sondern ist ein integraler Bestandteil der Konzeption und Gestaltung.
Die frühzeitige Berücksichtigung der Barrierefreiheit schafft die Basis für eine zugängliche Anwendung und reduziert den Aufwand für spätere Änderungen erheblich. Ein gut durchdachtes Designsystem, das auf atomaren Einheiten wie Buttons oder Schriftstilen basiert und bis hin zu Templates und standardisierten Workflows erweitert wird, bietet zahlreiche Vorteile: Es gewährleistet Konsistenz, Wiederverwendbarkeit und Effizienz bei der Gestaltung digitaler Oberflächen – über verschiedene Projekte hinweg.
Die Struktur solcher Designsysteme beginnt bei kleinsten Bausteinen (Atome), die zu größeren Komponenten (Moleküle, Organismen) kombiniert werden. Ein Beispiel ist die barrierefreie Gestaltung von Schaltflächen durch ausreichenden Kontrast, klare Beschriftung und Fokusanzeigen für Tastaturnutzer. Ebenso sollten Schriftstile so definiert werden, dass sie durch ausreichend große und leserliche Typografie Nutzende mit Sehbeeinträchtigungen unterstützen.
Diese Komponenten fließen wiederum in Templates ein, die das Layout und die Struktur ganzer Seiten vorgeben. Ein Template kann sicherstellen, dass Navigationselemente screenreader-freundlich sind, indem sie mit entsprechenden Accessible Rich Internet Applications (ARIA) Labels versehen werden. Formularfelder sollten durch beschreibende Labels und hilfreichen Hinweisen ergänzt werden, um beispielsweise Menschen mit kognitiven Einschränkungen die Orientierung zu erleichtern.
Durch die Zusammenstellung von Templates für wiederkehrende Abläufe können gesamte Workflows abgebildet und standardisiert werden. Ein Workflow für die Registrierung könnte zum Beispiel sicherstellen, dass der Fortschritt auf jeder Seite klar ersichtlich ist und dass alternative Navigationsmöglichkeiten wie „Zurück“- und „Weiter“-Buttons leicht zugänglich sind. Ebenso könnte ein standardisierter Checkout-Workflow die Tastaturbedienbarkeit und verständliche Fehlermeldungen in Formularen garantieren.
So entstehen visuell und funktional konsistente Designs, die gleichzeitig barrierefrei sind.
Das Designsystem dient als gemeinsame Basis für Designerinnen, Designer, Entwicklerinnen, Entwickler und andere Beteiligte, was die Zusammenarbeit fördert und Missverständnisse reduziert. Klare Richtlinien und Dokumentationen zur Barrierefreiheit gewährleisten, dass diese effizient umgesetzt werden kann. Dabei erleichtert das Designsystem nicht nur die Entwicklung neuer Produkte, sondern stellt auch sicher, dass Barrierefreiheit durchgängig berücksichtigt wird – von einzelnen Komponenten bis hin zu gesamten Workflows.
Mit einem barrierefreien Designsystem wird also die Grundlage für eine inklusive Umgebung geschaffen, in der digitale Anwendungen von allen Menschen gleichberechtigt genutzt werden können – unabhängig von Einschränkungen wie Seh- oder Hörbehinderungen, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen.
Anforderungen an ein barrierefreies Designsystem
Ein barrierefreies Designsystem basiert auf den Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), der EU-Richtlinie 2016/2102 und der deutschen Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV). Die WCAG legen international anerkannte Standards fest, die die Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit umfassen. Diese Standards beinhalten Anforderungen wie beispielsweise:
- Textalternativen für nichttextliche Inhalte,
- ausreichende Kontraste (zum Beispiel ein Mindestverhältnis von 4,5:1),
- vollständige Bedienbarkeit per Tastatur und
- einfache Sprache zur besseren Verständlichkeit.
Die BITV ergänzt diese Standards und verpflichtet öffentliche Stellen in Deutschland, ihre digitalen Angebote entsprechend diesen Vorgaben zu gestalten.
Ein barrierefreies Designsystem sorgt dafür, dass diese Anforderungen von Anfang an gezielt in die Gestaltung integriert werden. Auch wenn einige dieser Aspekte erst in der Entwicklungsphase vollständig umgesetzt und sichergestellt werden können, legt eine umfassende Dokumentation und Berücksichtigung in der Konzept- und Designphase eine solide Grundlage für den weiteren Prozess. Die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten in dem folgenden Entwicklungsprozess ist entscheidend, um Barrierefreiheit wirksam umzusetzen. Eine systematische Qualitätssicherung – auch nach der Entwicklung – spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie gewährleistet, dass die finalen Produkte barrierefrei sind.
Fazit
Die Berücksichtigung der Barrierefreiheit bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses - bei Konzept und Design - verbessert nicht nur die Nutzererfahrung für alle. Durch die Integration in ein Designsystem, kann diese auch in vielfältigen Produktlandschaften und größeren Teamstrukturen verwendet werden.
Barrierefreie Designsysteme fördern eine digitale Welt, die niemanden ausschließt. Sie schaffen damit nicht nur einen echten Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer und die Gesellschaft, sondern bieten auch einen praktischen Mehrwert, indem sie den Entwicklungsaufwand reduzieren und die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.