22. Oktober 2020 von Tanja Hayo
Wie können die Voraussetzungen für ein obligatorisches Opting-Out in der bAV geschaffen werden?
Das Bewusstsein, dass die gesetzliche Rente allein nicht mehr ausreichen wird, um unseren Lebensstandard im Rentenalter zu behalten, hat sich mittlerweile weitestgehend in unseren Köpfen verbreitet. Im April 2020 schrieb der Direktor vom Munich Center for the Economics of Aging, dass es höchste Zeit sei, konkrete Schritte für eine Opt-Out-Regelung einzuleiten, um diese Generation noch zu erreichen. Im Mai 2018 hat die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ von der Bundesregierung den Auftrag bekommen, ab 2025 die Wege für eine effektvolle Weiterentwicklung und Sicherung von Alterssicherungssystemen zu kennen und zu nutzen. Bis heute ist kaum etwas passiert.
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) wurde durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz attraktiver, doch die Inanspruchnahme und die damit verbundene Wirkung sind leider ausgeblieben. Weder die Gestaltungsmöglichkeiten für die Tarifvertragsparteien noch das Sozialpartnermodell und auch nicht die Förderung von Geringverdienern haben die Verbreitung wie gewünscht gefördert, sondern ihr Ziel verfehlt. Arbeitnehmer mit geringem Einkommen in nicht tarifgebundenen Unternehmen haben oft keinen bAV-Vertrag. Die Einführung von Opting-Out für alle Unternehmen würde die gleichmäßige Verbreitung der bAV flächendeckend vorantreiben.
Die Ausdehnung der bAV mit positiver Wirkung auf das spätere Rentenleben und Vorbeugung der Altersarmut, wurde bereits im ersten Teil der Reihe „Obligatorium in der bAV“ durchleuchtet. In diesem Beitrag geht es darum, wie wir die Voraussetzungen schaffen können, um ein obligatorisches Opting-Out so einzusetzen, dass damit positive Tendenzen im Verbreitungsgrad der bAV erkennbar sind.
Ist die Einführung eines obligatorischen Opting-Out in der bAV in Deutschland möglich?
In einem Rechtsgutachten wurde diese Fragestellung untersucht. Das Ergebnis ist, dass sowohl ein Obligatorium als auch Opting-Out-Modelle im Rahmen einer zusätzlichen Altersversorgung mit den Grundrechten vereinbar sind und sich durch die Anknüpfung an die Sozialversicherungspflicht auch arbeitsrechtlich umsetzen lassen.
Die Einführung von Opting-Out ist mit der allgemeinen Handlungsfreiheit nach dem Grundgesetz vereinbar. Dies wird dadurch begründet, dass die Maßnahme zur Schließung der Versorgungslücke aufgrund des gesunkenen Rentenniveaus dient. Die Umsetzung ist durch einen bundesunmittelbaren Träger der Sozialversicherung in Anwendung des Grundgesetzes möglich.
Was bedeutet ein obligatorisches Opting-Out für die Verwaltung beim Arbeitgeber?
Für Arbeitgeber muss insbesondere in der Verwaltung eine automatisierte Erfassung von neuen Mitarbeitenden im Rahmen des Opting-Outs sowie die Dokumentation der Entscheidungen dafür oder dagegen mit und ohne neues Arbeitsverhältnis möglich sein.
Die Erfassung mit neuem Arbeitsverhältnis muss automatisch erfolgen. Bei jedem Wechsel des Arbeitsgebers wird beim Onboarding-Prozess dokumentiert, ob sich der Arbeitnehmer für beziehungsweise gegen ein Opting-Out entschieden hat.
Auch die Möglichkeit zur Änderung der Entscheidung ohne neues Arbeitsverhältnis muss sichergestellt werden und einfach zu dokumentieren sein. Die Bedeutung und Relevanz der Altersversorgung steigt, umso näher der Ruhestand rückt. Daher soll eine periodische Abfrage und Dokumentation ermöglicht werden. Darüber hinaus, soll die Entscheidung ebenfalls erneut abgefragt werden, wenn der Arbeitgeber ein neues bAV-System einrichtet.
Damit alle Entscheidungen für die oben genannten Fälle jederzeit abgefragt, getroffen und dokumentiert werden können, sind Prozesse beim Arbeitgeber erforderlich, die den Datenaustausch mit den Versorgungsträgern sicherstellen. Dafür bieten sich smarte Schnittstellenlösungen zur Unterstützung der Kommunikation an. Konkret würde es so aussehen, dass das Backendsystem des Versorgungsträgers und das System des Arbeitgebers mittels Maschinen-zu-Maschinen-Kommunikation Daten austauschen - beispielsweise via RESTful Webservices.
Dabei werden Neueintritte automatisch dem Versorgungsträger nach Ablauf der Widerspruchsfrist übermittelt, um einen Vertrag einzurichten. Auch Widersprüche müssen standardmäßig im HR-System dokumentiert und archiviert werden, jedoch werden diese nicht an den Versorgungsträger kommuniziert.
Eine periodische Abfrage muss bei Ablehnung eingerichtet werden, damit die Arbeitnehmenden, die zunächst abgelehnt haben, die Möglichkeit besitzen, sich zu einem späteren Zeitpunkt neu zu entscheiden. Wird sich dafür entschieden, werden die Daten der entsprechenden Arbeitnehmer automatisch an den Versorgungsträger übermittelt. Vor allem beim Wechsel des Arbeitgebers muss eine erneute Abfrage stattfinden. Insofern sich der Arbeitnehmer bereits dafür entschlossen hat und weiter vorsorgen möchte, wird automatisch ein Versicherungsnehmerwechsel beim Versorgungsträger ausgelöst.
Fazit
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von obligatorischen Opt-Out-Modellen sind in Deutschland vorhanden. Aus rechtlicher Sicht spricht nichts gegen eine flächendeckenden Einführung, um so die Durchdringungsquote der bAV zu erhöhen und der Altersarmut entgegen zu wirken. Der Einsatz digitaler und innovativer Lösungen, die in die Prozesse des Arbeitgebers integriert werden, ermöglicht die Voraussetzung für eine einfache Verwaltung und reduziert den administrativen Aufwand für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber und Versorgungsträger.
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Die Blog-Serie im Überblick
- Teil 2: Wie können die Voraussetzungen für ein obligatorisches Opting-Out in der bAV geschaffen werden?