15. März 2021 von Dr. Thorsten Hagemann
Überwachst Du noch oder pflegst Du schon?
Wie smarte KI-Lösungen die Pflege entlasten und Versorgungsprozesse optimieren
Menschen, die sich mit körperlichen Beeinträchtigungen in Pflegeeinrichtungen befinden, liegen oft im Bett. Sie werden mit einem Bettgitter gesichert, damit sie sich im Bett bewegen können, aber dabei nicht aus dem Bett herausfallen. Das Pflegepersonal muss diese Patientinnen und Patienten intensiv beobachten, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls doch jemand herausklettern möchte. Dabei könnte die Person stürzt und sich verletzt. Lösungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) können die Beobachtung übernehmen, rechtzeitig Alarm schlagen und somit das Personal extrem entlasten. Und auch für die Patientinnen und Patienten entstehen durch den KI-Einsatz zahlreiche Vorteile.
Die Zerreißprobe für das Pflegepersonal
Pflegekräfte kennen die Herausforderung in der stationären oder ambulanten Versorgung von sogenannten geriatrischen Patientinnen und Patienten: körperliche Beeinträchtigungen verhindern, dass sich die Pflegebedürftigen ausreichend bewegen können. Pflegekräfte sind in der ohnehin prekären personellen Situation leider häufig noch zusätzlich damit konfrontiert, sich neben ihren generischen pflegerischen Aufgaben auch noch zeitintensiven Monitoring-Aufgaben zu widmen: Wann sollte eine zu pflegende Person „gelagert“, also regelmäßig umgebettet und seitlich gedreht werden, damit sie sich nicht wund liegt und einen teils bedrohlichen Dekubitus entwickelt? Wann führt jedoch genau diese Manipulation zu Verwirrtheit, Unruhe und Unwohlsein bei dieser Person? Wann ist eine Wechseldruckmatratze angebracht und wann ein Bettgitter?
Diese Fragen sind nicht nur zu klären, sondern erfordern auch ein ständiges „Nachgucken“ und Monitoring. Das Bettgitter erhöht die Fallhöhe aus dem Bett um weitere 40 Zentimeter und bietet vielen Patientinnen und Patienten Anlass, sich hieran hochzuziehen. Das kann unter anderem fatale Folgen für sie haben – etwa Stürze und/oder Verletzungen. Pflegekräfte werden mit dieser Belastung alleingelassen. Insbesondere in Zeiten, in denen pandemiebedingt keine Angehörigen in stationären Pflegeeinrichtungen unterstützen dürfen.
Wie Künstliche Intelligenz konkret unterstützen und entlasten kann
Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, welche Entlastung es für das Pflegepersonal bedeuten würde, wenn ihnen diese prozessualen, körperlichen und auch seelischen Herausforderungen (denn ein Patient, der ein Bettgitter benötigt ist selten glücklich darüber) durch eine medizinische Entscheidungsunterstützung abgenommen wird? Oder, wie viel Entspannung es in die Stationsabläufe brächte, wenn Pflegerinnen und Pfleger nicht in allen Zimmern prüfen müssten, ob ein Patient versucht, über das Bettgitter zu klettern? Eine künstliche Intelligenz kann hier Abhilfe schaffen.
Mit dem KI-Einsatz könnten die zu behandelnden Personen nur dann gelagert werden, wenn es wirklich nötig ist. Bettgitter könnten nur dann angebracht werden, wenn es wirklich erforderlich ist. Patientinnen und Patienten würden zudem nicht zusätzlich verwirrt, irritiert sowie in ungewohnte Situationen gebracht oder immer wieder durch ständige Kontrollgänge in ihrer Privatsphäre gestört.
Vorteile für Patientinnen und Patienten
- Keine spontanen Besuche mehr von Personen, die mal schnell ins Zimmer huschen und verwirren
- Der Eingriff in die Privatsphäre wird auf ein Minimum heruntergeschraubt
- Die eigene Sicherheit wird maximal erhöht
- Maßnahmen werden nur dann ergriffen, wenn es wirklich nötig ist
- Bessere Dekubitus- und Sturzprophylaxe
- Weniger Kabel, Bettgitter und nicht notwendige Lagerungsmaßnahmen
Vorteile für das Pflegepersonal
- Die Daten können Entscheidungen zu erweiterten Lagerungsmaßnahmen unterstützen
- Weniger (Extra-) Wege in der Pflegeroutine
- Weniger Zeit für Monitoring nötig – mehr Zeit für die Pflege
- Weniger Stress durch Verantwortungsaufteilung und Informationsobjektivierung
- Unterstützung in Notfallsituationen und rechtzeitige Information
- Weniger Kabel, Bettgitter und nicht notwendige Lagerungsmaßnahmen
Intelligente Kameralösungen sind die technische Voraussetzung
Die KI-Lösung basiert auf dem Einsatz von Kameras, welche die Patientinnen und Patienten filmen. adesso forscht an der medizinischen Video-Echtzeitanalyse. Das Verfahren basiert auf einem smarten Kamerasystem und bietet hier eine einfache, (informations-) sichere und clevere Lösung. Das System erfasst Bewegungen der zu behandelnden Person im Kontext der Fragestellungen, ob sich die Person ausreichend bewegt. Das Ganze geschieht anonym. Besteht die Gefahr, sich wundzuliegen oder aus dem Bett zu stürzen? Wenn ja, schlägt das System Alarm. Dabei werden auch Bewegungen des Achsenskelettes berechnet, die sich beispielsweise unter der Bettdecke oder hinter einem Möbelstück befinden. Das System kann die Ergebnisse mit weiteren Informationen vergleichen und bezieht so beispielsweise Vorerkrankungen des Patienten (beispielsweise Diabetes) mit in die Bewertung ein.
So wird den medizinischen und pflegerischen Helferinnen und Helfern eine Bewertung wie auch ein Alarmsystem zur Verfügung gestellt, welches sie unterstützt und gleichzeitig die Patientenversorgung und -sicherheit verbessert. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass das System weder die Patientin oder den Patienten, die Pflegekraft noch eine dritte Person zu identifizieren vermag. Diese Daten verbleiben im Kameragehäuse und „zerfallen“ in Echtzeit. Ein Diebstahl der Kamera ist daher auch zwecklos.
Perspektivisch ergeben sich viele weitere Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie: schon heute kann man über eine solches Kamerabild Fieber, Atmung und Herzschlag vermessen, jedoch wird es bis zum Einsatz in der Regelversorgung noch ein bisschen dauern. Die technischen Möglichkeiten sind heute vorhanden und wir laden Sie ein, mit uns zu diskutieren und die weiteren Schritte zu wagen.
Kontaktiert mich gerne direkt: thorsten.hagemann@adesso.de
Weitere Informationen und Use Cases zu KI im Gesundheitswesen findet ihr auf ki.adesso.de