12. August 2022 von Zoe Holdt, Julius Glaser und Rabab Bettache
Technische Herausforderungen beim Einsatz von Wasserstofftechnologien in Deutschland
Wasserstoff als „grüner“ Energieträger ist zurzeit in aller Munde. In unseren bisherigen Blog-Beiträgen haben wir euch bereits über die verschiedenen Chancen und Potenziale informiert, die der Einsatz des klimafreundlichen Gases mit sich bringt. Doch welche technischen Herausforderungen stellen sich bei der Nutzung von Wasserstoff und was gilt es zu tun, um diese zu bewältigen? Vier dieser Herausforderungen wollen wir uns heute etwas genauer anschauen.
Wie ist die Speicherung von Wasserstoff zu gestalten?
Eine erste grundlegende Herausforderung stellt die Speicherung von Wasserstoff dar, denn dieser besitzt im Vergleich zu anderen Kraftstoffen eine niedrige volumetrische Energiedichte – benötigt also viel Platz, um wenig Energie zu speichern. So enthält ein Liter gasförmigen Wasserstoffs unter Normalbedingungen eine Energiemenge von nur 0,75 Kilowatt pro Stunde (kWh), im Vergleich dazu kann in einem Liter Benzin oder Diesel die mehr als zehnfache Menge an Energie gespeichert werden. Selbst in verflüssigtem Zustand kann in einem Liter Liquified Hydrogen (LH2) nur etwa ein Viertel der Energiemenge von einem Liter Diesel gespeichert werden. Zusätzlich muss das LH2 auf etwa –253 °C gekühlt werden, um den flüssigen Zustand aufrechtzuerhalten.
Um die gleiche volumetrische Energiedichte wie Erdgas zu erreichen, benötigt Wasserstoff entweder eine höhere Verdichtung oder ein höheres Volumen um den Faktor drei. Darüber hinaus diffundiert Wasserstoff durch viele Materialien hindurch und beansprucht damit herkömmliche Gastanks und leitungen stärker.
Mögliche Lösungsansätze bilden die Verwendung von gesonderten Materialien in den Speichermedien sowie insbesondere eine durchgehende Überwachung.
Wie kann Wasserstoff sicher gelagert und transportiert werden?
Eine weitere sicherheitsrelevante Herausforderung von Wasserstoff bei Transport und Lagerung ist dessen Brennfähigkeit beziehungsweise die Bildung von explosiven Gasgemischen. Diese können detonieren, sobald sich der Wasserstoff mit reinem Sauerstoff (oder Luft) mischt. Demzufolge sind verschärfte Sicherheitsvorkehrungen bei der Speicherung und dem Transport des Wasserstoffs von großer Bedeutung für eine sichere Nutzung des Gases.
Weiterhin stellt die Lagerung von Gasen unter hohem Druck eine potenzielle Gefahr dar. Daher müssen die Druckbehälter, jede Schraubverbindung sowie jedes Ventil ständig überprüft werden, um einen potenziellen Gasaustritt oder Druckentlastungen in geschlossenen Räumen zu verhindern.
Solche Sicherheitskonzepte sind technisch zwar einfach umzusetzen, in der Regel jedoch mit hohen Kosten und Aufwänden verbunden.
Wie gestaltet sich die erforderliche Infrastruktur für Wasserstoff?
Eine weitere technische Herausforderung beim Einsatz von Wasserstoff bilden infrastrukturelle Schwierigkeiten: Von zentraler Relevanz ist hierbei der Auf- und Ausbau eines großflächigen Wasserstofftransportnetzes, um selbst große Mengen des Gases effektiv und effizient befördern zu können. Der leitungsgebundene Transport von Wasserstoff, vor allem über längere Strecken, ist jedoch technisch aufwendig und energieintensiv, denn Pumpen und Sicherheitssysteme müssen konstant mit großen Mengen Strom versorgt werden.
Alternative Transportwege wie zum Beispiel per Tanklastwagen hingegen sind aktuell noch weitaus ineffizienter, da im Schnitt mehr Energie verbraucht wird, als geliefert werden kann, und eine zu hohe Anzahl von Wasserstoff-LKWs zudem Staus und andere Verkehrsbehinderungen fördern. Auch das Betanken wasserstoffbetriebener Fahrzeuge bedarf der Koordination: So muss das Gas für LKWs und PKWs beispielsweise auf unterschiedlichen Druckniveaus bereitgestellt werden.
Eine denkbare Lösung ist der Transport von Wasserstoff durch bestehende Erdgaspipelines. Dabei müssen allerdings gesonderte Bedingungen geschaffen werden, um die chemischen Unterschiede von Erdgas und Wasserstoff auszugleichen und eine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit zu verhindern.
Haben wir genug Ressourcen?
Strom aus erneuerbaren Energien und Wasser gehört zu den grundlegenden Ressourcen für die Herstellung von grünem Wasserstoff, jedoch wird der wachsende Bedarf an ebendiesen Ressourcen als Herausforderung angesehen: Im Jahr 2030 wird der Wasserstoffbedarf eine Energiemenge von bis zu 110 Terawattstunden (TWh) erreicht haben – die fast achtfache Menge der heimischen Produktionskapazitäten. Es bedarf daher nicht nur des beschleunigten Ausbaus von umweltfreundlichen Erzeugungskapazitäten und Elektrolyseuren, sondern auch des Imports von grünem Wasserstoff aus dem Ausland. Ersteres betrifft auch einen gesellschaftlichen Wandel. Allein zur Dekarbonisierung der deutschen Stahlunternehmen werden 80 TWh Wasserstoff benötigt.
Mit dem Ausbau von Elektrolyseuren ist das Problem allerdings nicht gelöst, denn nur die Erzeugung des Wasserstoffs, der zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie benötigt wird, vereinnahmt die gesamte derzeit erzeugbare Strommenge aller On-Shore-Windenergieanlagen. Die bisher vorhandenen und geplanten Wind- und Solarenergieanlagen werden den Bedarf also nicht decken können.
Somit bleibt als kurzfristiger Lösungsansatz nur, den Bedarf zumindest teilweise durch Wasserstoffimporte zu decken. Auch bei diesen muss allerdings auf Nachhaltigkeit geachtet werden, damit der Wasserstoff weiterhin ein „grüner“ Energieträger bleibt.
Was nehmen wir mit?
Um die Zukunft mit Wasserstoff erfolgreich zu gestalten, bedarf es Innovationen und Investitionen. So müssen sowohl Erzeugungs- als auch Speicherkapazitäten ausgebaut und weiterentwickelt werden, Transportnetze sind auf- und auszubauen und eine möglichst effiziente Aufbereitung des Gases ist mit entsprechender Technologie sicherzustellen. Zu allen Aspekten bedarf es Sicherheitskontrollen. Zudem sollten bereits jetzt internationale Partnerschaften für Erzeugung und Import des klimafreundlichen Gases beschlossen werden, um bei Bedarf direkt handeln zu können.
Zur Distribution und Nutzung des Gases sowie dessen Überwachung innerhalb des Landes bedarf es zudem regulatorischer Rahmenbedingungen sowie ausgeprägter IT-Strukturen. Diese gilt es aktuell noch zu definieren und aufzubauen. Den Aufbau jener Strukturen (wie zum Beispiel Plattformlösungen) wollen und können wir als adesso unterstützen und fördern.