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Disruptive Innovationen haben die Kraft, Bewährtes grundlegend zu verändern und Raum für Neues zu schaffen. Sogenannte Basisinnovationen wie die Erfindung der Elektrizität, der Dampfmaschine oder aber auch der Informationstechnologie haben es uns mehrfach vorgeführt. Dank ihrer schöpferischen Zerstörungskraft (Schumpeter) besitzen sie die Fähigkeit, das „Alte und Bekannte“, wenn auch im Rahmen einer gewissen Übergangszeit, vollständig durch Neues zu ersetzen beziehungsweise in ein Nischendasein zu drängen.

Mit der Distributed-Ledger- beziehungsweise der Blockchain-Technologie beobachten wir genau diese Veränderungskraft, die eine Innovation auslösen kann. Gleichwohl sie sich nicht auf den Podest der Basisinnovationen stellt und eine „kreative Zerstörung“ à la Schumpeter einleitet, zeigt sie dennoch deutlich, wie sie Bewährtes im Bereich des Zahlungs- und Geldverkehrs sowie in der klassischen Welt der physischen Währungen oder des Buchgeldes verändern kann. Mit Kryptowährungen und digitalen Zahlungsmitteln entstehen seit einigen Jahren neuartige Trends und Entwicklungen im Finanzwesen, die deutlich an Dynamik gewonnen haben. Auch die Aufsicht reagiert und bringt Ordnung in das System. Welche Folgen diese Entwicklungen für den Bankenmarkt haben und wie die Zukunft für Kryptowährungen und sogenannte „digital assets“ aussehen könnte, werden wir uns in diesem Blog-Beitrag aus der Nähe anschauen.

Was sind Kryptowerte und Kryptowährungen?

Der Begriff „krypto-“ hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet sinngemäß „verbergen“ oder „verstecken“. Kryptowert ist der Sammelbegriff für die Gesamtheit aller digitalen Vermögenswerte (digital assets), wie beispielsweise Kryptowährungen, sogenannte „Tokens“ oder „Coins“. Es handelt sich hierbei um Finanzinstrumente, die digitale Vermögenswerte und Anlageklassen darstellen, die auf einer Blockchain abgebildet werden.

Ein Token kann beispielsweise einen Vermögenswert, Vermögensgegenstand oder ein Wirtschaftsgut darstellen. Coins sind digitale Münzen, die als grundlegenden Zweck die Funktion von Bargeld erfüllen – nur eben digital. Dabei handelt sich nur um digitale Darstellungen von Werten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden. Entsprechend erfüllen sie nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder Geldeinheit.

Kryptowährungen gehören zu den populärsten Kryptowerten und bezeichnen digitale Zahlungsmittel auf der Grundlage eines Blockchain-Systems, die durch einen komplexen Algorithmus kryptografisch verschlüsselt sind. Dabei sind sie keine regulierten Währungen im eigentlichen Sinn und existieren nicht in physischer Form, wie wir sie etwa in Form von Papiergeld und Münzen gewohnt sind. Sie stellen kein gesetzliches Zahlungsmittel eines Landes dar und werden üblicherweise nicht von einer zentralen Behörde oder Kontrollinstanz herausgegeben. Ihre Verwahrung erfolgt nicht zwingend über eine Bank, sondern in Form von sogenannten Wallets, die von zahlreichen Dienstleistern angeboten und über Börsen gehandelt werden. Auf Basis einer Vereinbarung oder tatsächlichen Ausübung können sie von natürlichen oder juristischen Personen als Tausch- oder Zahlungsmittel beziehungsweise zu Anlagezwecken akzeptiert werden. Eine Zentralbank, Clearingstellen oder das traditionelle SWIFT-Netzwerk sind für Kryptowährungen nicht mehr notwendig. Ihre Kontrolle oder Steuerung erfolgt nicht über staatliche Institutionen wie die Notenbanken oder sonstige offizielle Administrationen.

Zu den populärsten Kryptowährungen gehört der Bitcoin. Die digitale Währung hat in bestimmten Anlegerkreisen bereits eine breite Akzeptanz und zählt zu den bekanntesten Kryptowährungen überhaupt. Ähnlich wie Gold für viele Generationen ein Wertaufbewahrungsmittel dargestellt hat, glauben inzwischen Expertinnen und Experten daran, dass der Bitcoin in Zukunft für die junge Generation ein global anerkannter Vermögenswert sein könnte.

Die Gesamtheit der Kryptowerte und -währungen basiert technisch in der Regel auf der Distributed Ledger(DLT)- beziehungsweise der Blockchain-Technologie. Sie nutzen eine Form der asymmetrischen Verschlüsselung, um unbefugte Eingriffe in das System zu verhindern. Diese Technologie bildet den sogenannten Technology Pull, der die Entstehung dieser Innovation überhaupt erst ermöglicht hat.

Wie entwickelt sich der Markt und was heißt das für Banken?

Der Markt für Kryptowerte entwickelt sich sehr dynamisch und ist durch bemerkenswerte Wachstumszahlen gekennzeichnet. Insbesondere Kryptowährungen sind seit einigen Jahren ein Hypethema und gewinnen im Finanzmarkt immer mehr an Bedeutung und Aufmerksamkeit. Laut CoinMarketCap, einer führenden Plattform für Kryptowährungen, werden aktuell über 18.600 Kryptowährungen an über 489 Börsen weltweit gehandelt. Die Marktkapitalisierung beträgt in etwa 1,94 Trillionen in Kryptowährungen (Stand: 31. März 2022). Ein bemerkenswerter Markt, zu dessen bekanntesten Titeln Bitcoin, Ethereum, Tether, BNB oder USD Coin zählen.

Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass dieser Markt hochgradig volatil ist: Behördliche Eingriffe, Umweltbedenken oder verschärfte Steuerprüfungen, die man in diesem Zusammenhang aus der Presse entnehmen konnte, haben insbesondere in den letzten Monaten zu erheblichen Kursschwankungen geführt. Es reichen aber manchmal auch Aussagen von Elon Musk, um den Kryptomarkt zu beeinflussen: Wenn Musk twittert, springt die Krypto-Szene auf. Dabei muss er nicht einmal tiefgehende Analysen oder Hintergründe liefern, seine Meinungsfreude reicht vollkommen aus, um Kursschwankungen auszulösen. Dennoch haben sich diese Werte schneller als andere Anlageformen erholt und den imposanten Wachstumstrend, wenn auch mit einigen Dellen, fortgesetzt.


Marktkapitalisierung von Kryptowährungen, Quelle: CoinMarketCap, 15. März 2022 (Globale Markttabellen für Kryptowährung | CoinMarketCap )

Für Banken und Finanzdienstleistungsinstitute ergeben sich daraus vielfältige Möglichkeiten, um damit in Berührung zu kommen. Dabei können sie unter anderem Eigenhandel mit Kryptowerten betreiben, im Auftrag der eigenen Kundinnen und Kunden mit ihnen handeln, einen eigenen Handelsplatz errichten oder als Verwahrer für diese Werte fungieren. Die damit einhergehenden Verpflichtungen und erforderlichen Rahmenbedingungen zu kennen, ist eine Grundvoraussetzung.

Kryptowerte und die Regulatorik

Kryptowerte sind in ihrer Ausgestaltung oft durch eine nicht immer einfache und verständliche Eigenschaft charakterisiert. Entsprechende Investments sind als hoch spekulativ und riskant einzustufen. Sie können aufgrund ihrer hohen Volatilität sowie im Zuge von Kursschwankungen und Risikobehaftung eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität implizieren. Entsprechend beaufsichtigt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die in Deutschland aktiven Dienstleister, die Tätigkeiten rund um Kryptowerte erbringen. Das sind beispielsweise Kryptohandelsplattformen, Aufsteller von Kryptoautomaten und Unternehmen, die das sogenannte Kryptoverwahrgeschäft erbringen. So werden das Verwahren, Verwalten und die Sicherung von Kryptowerten im Rahmen des Kryptoverwahrgeschäfts reguliert. Das heißt, bei Vorhandensein der oben genannten Eigenschaften handelt es sich um erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen.

Der blosse Kauf und Verkauf sowie die Nutzung von virtuellen Währungen als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen ist in der Schweiz nicht explizit reguliert. Dienstleister im Kryptohandel - beispielsweise Kryptohandelsplattformen, Aufsteller von Kryptoautomaten und Unternehmen, die das sogenannte Kryptoverwahrgeschäft erbringen - können aufgrund der erhöhten Risiken zur Gelwäscherei sowie Terrorismusfinanzierung je nach Geschäftsmodell von der FINMA bewilligungspflichtig sein. Sie müssen sich vor der Aufnahme der Geschäftstätigkeit die Bewilligungspflicht abklären und sich bei Bedarf einer Selbstregulierungsbehörde anschliessen (FINMA, 2020).

Auch auf der europäischen Ebene greift die Gesetzgebung zunehmend regulierend ein. So veröffentlichte die Europäische Kommission die Verordnung zur Regulierung der „Markets in Crypto-Assets“ (MiCA-VO), um EU-weite Regeln für den Handel mit Kryptowerten vorzugeben. Die MiCA-Gesetzgebung zielt darauf ab, einen Regulierungsrahmen für digitale Assets für die Mitgliedstaaten in der EU bereitzustellen.

Mit zunehmender Akzeptanz digitaler Vermögenswerte ist zu erwarten, dass die Regulatorik und Gesetzgebung weitere Regulierungsmaßnahmen durchsetzen wird.

Wie können sich Banken differenzieren?

Der Handel mit Kryptoassets ist kein kurzfristiger Hype. Immer mehr private, aber auch institutionelle Anlegerinnen und Anleger haben in den letzten Jahren ernsthaftes Interesse an der neuen digitalen Asset-Klasse bezeugt. Das neue Segment verspricht hohe Renditepotenziale und deutet auf attraktive Wachstumsimpulse im Gesamtmarkt. Es ist realistisch, dass das neue Geschäftsfeld, nachdem nun fundierte Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Kryptowerten vorliegen, in den nächsten Jahren ein exponentielles Wachstum erfahren könnte. Es wird sogar prophezeit, dass 2022 das Jahr werden wird, ab dem Kryptowerte als seriöse Anlageklasse betrachtet werden. Naheliegend ist jedoch auch, dass langfristig eine natürliche Selektion im Markt stattfinden wird: Schätzungen zufolge wird nur circa ein Prozent langfristige Erfolgschancen haben und sich im Markt durchsetzen. Diese Wenigen könnten dann aber perspektivisch enorme Wertsteigerungen erzielen.

Folglich ist zu erwarten, dass digitale Vermögenswerte auf Dauer Bestand haben und zunehmend in den Fokus der Finanzinstitute rücken. Zahlreiche Fintechs und Börsen haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt und sich mit verschiedenen Geschäftsmodellen am Markt positioniert. Zum Beispiel wird Bitwala, ein Fintech aus Berlin, bereits als die „Kryptobank der Zukunft“ bezeichnet. Mit der SolarisBank AG hat Bitwala ein Kreditinstitut an seiner Seite und kann so das Bankkonto eines traditionellen Finanzdienstleisters mit den Kryptowallets von Bitwala verknüpfen. Auch klassische Finanzdienstleister wie die Börse Stuttgart/BSDEX mischen im Markt mit und bieten einen Handelsplatz für Kryptowährungen an.

Obwohl sie nicht zu den Ersten gehören werden, ergeben sich auch für Universalbanken attraktive Geschäftsmodelle, indem sie beispielsweise Finanzdienste in Zusammenhang mit der Verwahrung, dem Handel und der Beratung von Kryptowerten anbieten. Denn der Markt für Kryptowerte erfordert neben der aktiven Verwaltung der neuen Asset-Klasse auch die operative und fachliche Expertise sowie ein tiefes Verständnis des Finanzmarktes und des korrekten Umgangs mit regulatorischen Herausforderungen. Dabei können sich Banken im Gesamtmarkt durchaus profilieren und von Fintechs differenzieren. Sie genießen in der Regel ein höheres Vertrauen auf Kundenseite und kennen die fachlichen und regulatorischen Besonderheiten des Verwahrgeschäfts und des Wertpapierhandels. Das Angebot digitaler Anlageklassen und Depots wäre naheliegend und lukrativ zugleich, zumal ein Großteil klassischer Wertpapierdepots von Banken verwaltet wird.

Auch in der Beratung ergeben sich Chancen. Banken als Finanzintermediäre sind Experten in der Bewertung, Analyse und dem Risikomanagement von Anlageklassen. Sie können proaktiv an dem Aufbau einer Digital-Investment-Sparte als neues Geschäftsfeld mitwirken und auf ein breites Portfolio an digitalen Anlageklassen zurückgreifen.

Das Verständnis und der Einsatz innovativer Technologien sowie die Abbildung bankenspezifischer Anwendungsfälle (use cases) werden eine Grundvoraussetzung sein. Denn die Blockchain-Technologie wird den Kapitalmarkt für digitale Anlageklassen nachhaltig verändern. Mit dem entsprechenden technologischen Unterbau auf Basis von DLT und Blockchain können Banken Wettbewerbsvorteile aufbauen.

Zusammenfassend können Banken sich in diesem Wachstumsmarkt als „Kenner“ und „Fachleute“ profilieren, da sie nicht nur die Komplexität des Finanzsystems verstehen, sondern auch die regulatorische Konformität sowie das Anlageinteresse wahren und seriös steuern können. Ein Momentum, das mit der richtigen Technologie und entsprechender strategischer Ausrichtung greifbar nahe liegt.

Bild Nehir Safak-Turhan

Autorin Nehir Safak-Turhan

Nehir ist Senior Business Developer für die Line of Business Banking bei adesso und Volkswirtin aus Leidenschaft. Das Erkennen von bankwirtschaftlichen und branchenspezifischen Zusammenhängen und die Transformation dieser Informationen in Intelligenz ist ihr täglich Brot. Gemäß dem Sesamstraße-Prinzip „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm“ hat sie in ihrer über zwanzigjährigen Banking- und IT-Laufbahn nie aufgehört Fragen zu stellen, auf die sie stets Antworten sucht.

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