28. April 2023 von Corinna John
Digitalisierung im Umwelt-Monitoring
Politik und Verwaltung sind auf kompakte Informationen angewiesen. Ist die Realität zu komplex, wird sie auf vergleichbare Zahlen, sogenannte Indikatoren, reduziert. Dieser Blog-Beitrag beleuchtet für zwei Indikatoren den Prozess der Digitalisierung bei der Erhebung von Rohdaten vor Ort.
Harte Fakten für große Politik
Um qualifizierte Entscheidungen treffen und den Erfolg von Maßnahmen beurteilen zu können, sind Politik und Verwaltung auf kompakte Informationen angewiesen. Komplexe Sachverhalte müssen auf aussagekräftige Zahlen reduziert werden. Dazu wird eine Vielzahl von Indikatoren regelmäßig aktualisiert. Indikatoren fassen empirische Daten zusammen und bilden die Wirklichkeit in verständlicher Form ab. Sie sind unverzichtbar, um Erfolge und Misserfolge bei der Zielerreichung aufzuzeigen.
In diesem Blog-Beitrag werden die Datengrundlagen für zwei typische Indikatoren vorgestellt. Einer wird auf EU-Ebene verwendet, der andere ist seit 20 Jahren in Deutschland gebräuchlich. Dabei geht es nicht um die Ergebnisse, sondern um die Frage, wie die Rohdaten ganz am Anfang der Verarbeitungskette entstehen.
Ein europäischer Indikator
Die Biodiversitätsstrategie 2030 wurde vor zwei Jahren von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Sie enthält ehrgeizige Ziele zur Wiederherstellung und zum Schutz der europäischen Ökosysteme.
Zur Erfolgskontrolle hat die Europäische Umweltagentur die sogenannten SEBI-Indikatoren entwickelt. SEBI steht für “Streamlining European Biodiversity Indicators” und bedeutet, dass aus der Vielzahl international gebräuchlicher Indikatoren eine repräsentative Auswahl von 26 Indikatoren konkretisiert und für Prozesse auf europäischer Ebene nutzbar gemacht wurde. Die SEBI-Indikatoren fließen auch in nationale, europäische und globale Strategien zur Erhaltung der biologischen Vielfalt ein.
Einer der SEBI-Indikatoren heißt “Abundance and Distribution of Selected Species”. Seine Datengrundlage liefert das Pan-European Common Bird Monitoring Scheme (PECBMS). Aus jedem EU-Land liefert eine regionale Organisation ihre aktuellen Daten an PECBMS. In Deutschland wird das Monitoring vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) koordiniert. Hier fließen zwei Programme in den Indikator ein:
Ein deutscher Indikator
Die Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland wurde 2002 von der Bundesregierung beschlossen und wird seitdem regelmäßig weiterentwickelt. Sie umfasst derzeit ein Set von 75 Indikatoren.
Ein Schlüsselindikator für die Nachhaltigkeit der Landnutzung heißt “Biologische Vielfalt und Landschaftsqualität”. Er war der erste Indikator, der bundesweit Aussagen über den Zustand von Natur und Landschaft ermöglichte. Seitdem wird er jährlich aktualisiert und in verschiedenen Publikationen der Bundesbehörden veröffentlicht.
Den Zustand unterschiedlich genutzter Landschaften flächendeckend zu erfassen, klingt nach einer Unmenge an kontinuierlichen Messungen. Doch das Bundesamt für Naturschutz bedient sich einer indirekten Methode: Der Indikator bilanziert die Bestandsveränderungen ausgewählter Vogelarten. Die Daten dafür stammen wiederum aus dem Monitoring häufiger Brutvögel.
Dazu wurden die Landschafts- und Lebensraumtypen in Deutschland in fünf Kategorien eingeteilt: Agrarland, Wälder, Siedlungen, Binnengewässer sowie Küsten und Meere. In jedem dieser Lebensraumtypen sind bestimmte Vogelarten zu erwarten. Verbessert sich die Qualität der Lebensräume, führt dies zu einer Zunahme der Bestände. Wird ein Lebensraum hingegen durch Umweltbelastungen oder nicht nachhaltige Nutzung geschädigt, schlägt sich dies schnell in einem Rückgang der Vogelpopulationen nieder.
Monitoring häufiger Brutvögel
Als Beispiel für die Erfassung von Rohdaten soll hier das Monitoring häufiger Brutvögel, meist kurz MhB genannt, näher betrachtet werden. Es liefert Daten für Indikatoren, die sowohl von der Bundesregierung selbst genutzt als auch an die EU gemeldet werden.
Verantwortlich dafür ist der bereits erwähnte Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. mit Sitz in Münster. Er betreut insgesamt 2.637 Probeflächen von jeweils einem Quadratkilometer Größe, die vom Statistischen Bundesamt repräsentativ ausgewählt wurden.
Auf jeder Probefläche zählen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viermal im Jahr die Vögel, und zwar monatlich von März bis Juni. Die Methode heißt Linienkartierung: Eine festgelegte, etwa 3 Kilometer lange Route wird langsam abgegangen. Dabei wird jeder einzelne Vogel, der auf der Probefläche gesichtet wird, mit Art- und Verhaltenskürzel in die Feldkarte eingetragen.
Am Ende der Kartiersaison werden aus den vier Feldkarten die vermutlichen Brutreviere der einzelnen Vogelpaare ermittelt. Am Ende wird eine Excel-Tabelle mit der Anzahl der Reviere pro Vogelart und Landschaftstyp an die DDA geschickt. Der Weg von den Feldkarten bis zur fertigen Tabelle wurde in den letzten Jahren schrittweise digitalisiert.
Damals mit Papier und Bleistift
Bis vor wenigen Jahren wurden die Vögel mit Bleistift und Papier in die Tageskarten eingetragen. Dazu lernte man Abkürzungen für die 99 zu erfassenden Arten und eine Reihe von Verhaltenssymbolen wie “singend” oder “Nistmaterial tragend” auswendig. Letztere entsprechen den Brutzeitcodes des europäischen Brutvogelatlasses - auch “Atlascodes” genannt -, sind aber leichter zu merken.
Bei der traditionellen Kartierung wurde die Tageskarte so gefaltet, dass sie auf ein Klemmbrett passte. Damit ging man an einem ruhigen, sonnigen Morgen die Linie durch die Probefläche ab. Wenn man einen Vogel hörte oder sah, zeichnete man das Artkürzel an die entsprechende Stelle und gegebenenfalls ein Verhaltenskürzel darüber.
Nach dem letzten Durchgang im Juni musste für jede beobachtete Art die Anzahl der vermuteten Reviere in den Zählbogen eingetragen und das Ganze per Post eingeschickt werden. Aus den vier Papierkarten voller Symbole mussten also sinnvoll abgegrenzte Brutreviere entstehen.
Dazu wurden die vier gesammelten Tageskarten zu Hause ausgebreitet. Für jede beobachtete Art nahm man eine saubere Karte im A4-Format und markierte die Beobachtungen der vier Tage mit unterschiedlichen Zahlen. So kopierte man z.B. alle Buchfinkenpunkte von Tag 1, Tag 2, Tag 3 und Tag 4 auf eine Karte, wiederholte das Ganze mit einer neuen Artkarte für alle Amselpunkte und dann für alle Spatzen, bis man so viele Artkarten am Schreibtisch ausgefüllt hatte, wie man Vogelarten im Feld gesehen hatte.
Dann schaut euch jede Artenkarte genau an: Welche Punkte sind wahrscheinlich das gleiche Individuum an verschiedenen Tagen? Welches hat dort sein Revier, welches ist nur zufällig vorbeigeflogen?
Die Kartieranleitung enthält eine Tabelle mit den Kernbrutzeiten der einzelnen Arten. Eine Beobachtung in dieser Zeit gilt als Reviernachweis, Beobachtungen außerhalb dieser Zeit werden im Zweifelsfall als Durchzug gewertet und ignoriert. So kann zum Beispiel eine einzelne Bachstelze im März oder April als Revier gezählt werden, da diese Vögel in dieser Zeit ortstreu sind. Davor und danach ziehen sie umher, so dass eine Beobachtung ab Mai als Zufall abgetan wird.
Von den verbleibenden Punkten auf der Artkarte wurden nun diejenigen eingekreist, die räumlich nahe beieinander lagen, also vermutlich im selben Revier. Zuletzt zählen Sie die Reviere durch und tragen das Ergebnis in den Zählbogen ein. Wenn Ihre Probefläche mehrere Lebensraumtypen enthält, teilen Sie diese in getrennte Spalten auf. In diesem Beispiel gibt es Buchfinken in der Siedlung und im Industriegebiet.
Abschließend wurden der Zählbogen und die Papierkarten in einen großen Umschlag gesteckt und an den DDA geschickt.
Erste Teilautomatisierung 2020
- Die größte Bremse des Systems war eindeutig das Papier. Es musste ins Feld getragen, per Post verschickt und immer wieder von Hand beschriftet werden. Dabei meldeten viele Ornithologen ihre Zufallsbeobachtungen schon seit über 15 Jahren digital. Genauso lange gibt es das Meldeportal Ornitho, das ebenfalls vom DDA betrieben wird.
- Nach eigenen Angaben soll Ornitho
- einen aktuellen Überblick über das avifaunistische Geschehen geben und
- avifaunistische Daten an einer Stelle zu bündeln und in geprüfter Form für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung zu stellen.
- Tausende Melderinnen und Melder tragen dort ihre Beobachtungen zusammen, eine geografische Suche steht zur Verfügung und für die schnelle Erfassung im Gelände hat sich die App NaturaList etabliert.
- Nichts lag also näher, als das Meldesystem, das ohnehin auf vielen Birder-Handys installiert ist, auch für das Monitoring zu nutzen. Das normale Frontend war jedoch nur bedingt geeignet, insbesondere das MhB erforderte drei wesentliche Änderungen:
- Normalerweise ordnet Ornitho jede Zufallsbeobachtung einer Rasterfläche zu. Für MhB müssen stattdessen genaue GPS-Koordinaten eingegeben werden.
- NaturaList bietet eine Fülle von Detailfeldern, um eine Beobachtung zu spezifizieren. Für das schnelle Anklicken der Atlascodes aller beobachteten Vögel ist dies zu aufwendig.
- Um die Datenqualität zu sichern, muss die Beobachtungsliste auf die Probefläche beschränkt werden, die Benutzerin oder der Benutzer muss gewissermaßen per GPS auf eine Route “eingesperrt” werden.
- Im Forschungsprojekt “Beschleunigung des Datenflusses im Vogelmonitoring” - gefördert vom Bundesumweltministerium - konnte 2019 ein MhB-Plugin für NaturaList entwickelt werden. Seitdem sieht jeder Nutzende, für den eine Probefläche in Ornitho hinterlegt ist, den zusätzlichen Menüpunkt “MhB - Beobachtungsliste live im Feld”. Dahinter verbirgt sich eine völlig neue Oberfläche.
Die Erfassung beschränkt sich auf die eigene Probefläche. Die abzufahrende Zähllinie ist dort eingezeichnet, im Screenshot ist es die orange Linie. In diesem Beispiel entdeckt man von der Bahnhofsbrücke aus eine Krähe mit Zweigen im Schnabel auf dem Dach des Kiosks. Bewegt man nun den roten Cursor auf den genauen Beobachtungspunkt, hier das kleine Haus. Dann wischt man den Bildschirm zur Seite, damit die Artensuche erscheint. Dort wählt man die Rabenkrähe aus und drückt auf das Verhaltenssymbol “Nistmaterial tragend”, schon ist die Beobachtung gespeichert und die Tour geht weiter. Am Ende der Tour speichert man die Liste direkt in Ornitho.
Revierabgrenzung am Bildschirm
Wenn draußen der Sommer beginnt und alle Kartierrunden abgeschlossen sind, beginnt das Warten auf einen verregneten Sonntagnachmittag. Denn aus den gesammelten Datenpunkten müssen noch Reviere gebildet werden. Das geht jetzt schnell und einfach, egal wie viel Erfahrung man mit Geodaten hat.
Alle Kartierer kennen sich mit Vögeln aus, aber nur wenige mit Computern. Da alle ehrenamtlich arbeiten und zu nichts verpflichtet sind, kann man sie auch nicht zwingen, sich in ein neues Programm einzuarbeiten. Deshalb bietet Ornitho fertige Artensteckbriefe als Powerpoint-Folien an. Man lädt sich die Präsentation Ihrer Datenpunkte herunter, öffnen die Datei - und schon kann man die Reviere einkreisen wie früher auf den Papierbögen. Allerdings lässt die Auflösung zu wünschen übrig, und die Arbeit mit Powerpoint kann etwas unkomfortabel sein.
Spaß mit QGIS
Versierte “Birdnerds” können die selbst erhobenen Rohdaten auch auf komfortablere Weise weiterverarbeiten. Man lädt zunächst seine MhB-Daten im GeoJSON-Format von Ornitho herunter und öffnet die Datei im Open-Source-Programm QGIS. Zur besseren Übersicht legt man dann am besten einen OpenStreetMap-Layer darunter. Nun sieht man alle Beobachtungen aus allen vier Durchgängen als chaotische Punktwolke über der Probefläche.
Was man braucht, sind die klassischen Artkarten: ein Layer pro Art, auf dem die Punkte mit Monat und Atlascode markiert sind. Dazu bereitet man zunächst die Markierungen vor, indem man in den Layereigenschaften unter “Beschriftungen” eine regelbasierte Beschriftung hinzufügen. Diese erhält als Wert einen regulären Ausdruck, der den Monat aus dem Datumsfeld ausliest (siehe Abbildung) und zusätzlich den Atlascode.
Für eine noch bessere Übersichtlichkeit können die Punkte je nach Monat eingefärbt werden. Dazu klickt man unter “Symbolisierung” auf “Ausgewählte Regel verfeinern” und dann auf “Kategorien hinzufügen”. Der reguläre Ausdruck, nach dem klassifiziert werden soll, ist wieder der für den Monat im Feld ‘date’.
Die Aufteilung in Artkarten, die früher einen halben Arbeitstag in Anspruch nahm, ist jetzt mit wenigen Mausklicks möglich. Man sucht in den Vektorwerkzeugen nach “Vektorlayer teilen” und wählt im Dialog dieses Werkzeugs das Schlüsselfeld “species_name” aus. QGIS erzeugt nun sauber getrennte Shapefiles für jede Vogelart.
Die Einstellungen für die Markierungen kann man mit “Stil kopieren” auf alle neuen Layer gleichzeitig übertragen, fertig sind alle Artkarten. Nun kann man alle Layer bis auf OpenStreetMap ausblenden. Um in Ruhe die Reviere zu zählen, blendet man eine Art nach der anderen ein.
Zweite Teilautomatisierung 2022
Developer wissen, dass eine App niemals die ganze Zielgruppe erreicht. Es wird immer Smartphones geben, auf denen sie nicht funktioniert. Es wird immer einige Nutzende geben, die sie nicht mögen.
Auch beim Vogelmonitoring gibt es einen gewissen Gewohnheitsfaktor. Das MhB startete offiziell 2004 als Nachfolgeprogramm des seit 1989 durchgeführten Monitorings häufiger Vogelarten. Ehrenamtliche, die seit 20 oder gar 30 Jahren auf Papier kartieren, sehen nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Digitalisierung. Bei Frost oder unerwartetem Nieselregen halten Bleistift und Klemmbrett mehr aus als Finger und Telefon. Und wer zum ersten Mal den Stromverbrauch von GPS erlebt hat, wird dankbar zur analogen Methode zurückkehren, sobald der Akku im Feld leer ist.
DigiBird digitalisiert Papierkarten
Seit letztem Jahr gibt es die neue Webanwendung DigiBird. Damit können Tageskarten auf Papier nachträglich digitalisiert werden. Dazu werden sie zunächst eingescannt und dem Ornitho-Konto des oder der Kartierenden zugeordnet. Anschließend können die Kopfdaten und Punkte in einem Web-Editor eingegeben werden. Der Editor ähnelt dem Erfassungsdialog von NaturaList, mit etwas Fingerspitzengefühl kann die gleiche Datenqualität erreicht werden.
Die Anmeldung bei DigiBird erfolgt per Single-Sign-On über Ornitho, so dass es kein Problem ist, alle Datenpunkte automatisch im Hintergrund zu synchronisieren. Wenn man digital kartiert hat, sieht man in DigiBird Ihre fertigen Karten. Wenn man Papierkarten eingescannt hat, sieht man die Scans und die Karten, die man selbst nachträglich digitalisiert hat.
Das beste Feature ist der unscheinbare Button “Artkarten”: Die nach Vogelarten getrennten und nach Monaten eingefärbten Karten, die man im letzten Jahr noch in QGIS oder Office bearbeiten musste, werden in OpenStreetMap fertig angezeigt. Falls die Reviere nicht offensichtlich sind - im folgenden Bild müssen 54 Amseln entwirrt werden - kann man hineinzoomen und den sichtbaren Ausschnitt in ein beliebiges Grafikprogramm importieren.
Dritte Teilautomatisierung 2023
Warum müssen die Reviere von Hand gezählt werden? Alle notwendigen Informationen liegen maschinenlesbar vor:
- die digitalen Artkarten
- die Tabelle der Reviergrößen für jede Art
- die Tabelle der Kernbrutzeiten jeder Art
Die Funktion AutoTerri soll ab 2023 die letzte Hausaufgabe in DigiBird überflüssig machen.
AutoTerri zieht Grenzen
AutoTerri ist ein von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach entwickelter Algorithmus. Er berechnet zuerst die geografische Distanz zwischen allen Beobachtungspunkten auf der Artkarte. Anschliessend werden die nahe beieinander liegenden Punkte auf Details wie Verhalten und Geschlecht untersucht. Übereinstimmende Punkte, die zum selben Revier gehören könnten, werden gruppiert.
Aus der geographischen Lage der Gruppen und den bekannten Revieransprüchen der Art im jeweiligen Landschaftsraum wird dann eine Revierdistanz berechnet. Für Vogelarten mit ausgeprägtem Revierverhalten können so zuverlässige Reviergrenzen berechnet werden. Vorsicht ist bei Koloniebrütern, wie zum Beispiel einer Spatzenhecke oder Wasservögeln, die sich einen See teilen, geboten.
Dann müssen die Freiwilligen nur noch das tun, was sie ohnehin am liebsten tun: Man geht durchs Gelände und kartieren die Vögel mit der NaturaList-App. Sobald alle vier Listen an Ornitho gesendet wurden, erfolgt die Verarbeitung automatisch.
Die selbst gesammelten Datenpunkte werden natürlich weiterhin in Ornitho und DigiBird angezeigt. Eine Auswertung ist nicht mehr notwendig, aber trotzdem erwünscht. Denn jedes Revier, bei dem ein Birdwatcher zu einem anderen Ergebnis kommt als AutoTerri, ist für die Feinjustierung des Algorithmus wichtig. Im Idealfall sollten Vergleiche zwischen AutoTerri und menschlicher Einschätzung über mehrere Jahre gerechnet werden. Die Zeit wird zeigen, wie viele Freiwillige noch bereit sind, die Arbeit eines Computers zu übernehmen.
Ausblick
Die Digitalisierung lässt den Freiwilligen die schönen Tätigkeiten und entlastet sie von der unbeliebten Büroarbeit. Noch vor vier Jahren verbrachten die Kartiererinnen und Kartierer der MhB gleich viel Zeit am Schreibtisch wie auf der Probefläche. Übrig geblieben ist die Erfassung nach Sicht und Gehör im Gelände, die Auswertung erfolgt ab diesem Jahr vollautomatisch.
Das beschleunigt den Datenfluss, vermeidet Abschreibfehler und spart kiloweise Papier. Außerdem wird es wesentlich einfacher, ehrenamtliche Mitarbeitende für die Kartierung zu gewinnen.
Für die Zukunft zeichnet sich jedoch ein Mangel an Artenkenntnis in der Gesellschaft ab. In stark sichtgeschützten Lebensräumen wie Siedlungen oder Wäldern erfolgt die Kartierung weitgehend nach Gehör. Die Zahl der Menschen, die Rufe oder Gesangsfragmente zuverlässig einer Vogelart zuordnen können, scheint jedoch abzunehmen. Daher könnte es mittelfristig notwendig werden, junge Kartierer digital zu unterstützen.
Für die Erkennung von Vogelstimmen gibt es bereits einigermaßen brauchbare Programme, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Für den Einsatz im MhB sind BirdNet und Co. noch viel zu ungenau. Sollte sich die Erkennungsrate verbessern, wäre es durchaus denkbar, auch Ehrenamtliche mit mäßiger Artenkenntnis teilnehmen zu lassen.
Fazit
Politische Entscheidungen werden auf der Grundlage von Daten getroffen, die jedes Jahr von Tausenden von Freiwilligen zusammengetragen werden. Ohne ihre unentgeltliche Expertise wäre ein europaweiter Überblick über Umweltdaten kaum möglich. Die Digitalisierung der Auswertungen erspart ihnen viel Arbeit und motiviert zum Mitmachen. Gleichzeitig steigt die Genauigkeit und damit die Aussagekraft der Indikatoren.
Ganz nebenbei spiegelt das Monitoring auch die Bedeutung der Vögel in der Kulturlandschaft wider. Denn die Zählungen des Pan-European Common Bird Monitoring Scheme (PECBMS) werden europaweit von Freiwilligen durchgeführt. Allerdings sind in Großbritannien 2800, in Deutschland 1300 und in Italien nur 200 Feldmitarbeitende am Monitoring beteiligt.