15. September 2020 von Andreas Liesche
Variantenkonfiguration (Teil 1) – Wie belegte Baguettes helfen, Variantenkonfiguration zu verstehen
Die Mittagspause steht an und nach langem Hin und Her haben wir uns endlich entschieden, was wir essen möchten: Die Auswahl fällt auf ein individuell belegtes Baguette einer amerikanischen Fastfood-Kette. Nachdem wir endlich an der Reihe sind, können wir unsere Bestellung aufgeben. Schritt für Schritt wählen wir eine Zutat nach der anderen aus: Zuerst die Baguetteart, dann den Hauptbelag, gefolgt von der Käsesorte, einer bunten Auswahl an Gemüse und zum Abschluss noch eine leckere Soße. Einpacken, mitnehmen und genießen.
Dieses einfache Beispiel der Bestellung unseres Mittagessens gibt euch einen guten Einblick in die Welt der Variantenkonfiguration. Nicht nur in der Wahl des Mittagessens gibt es individuelle Ansprüche, sondern auch im Maschinen- und Anlagenbau werden individualisierte Lösungen zu Standardpreisen gewünscht. Dabei steigt die Komplexität deutlich an und die manuelle Bearbeitung wird immer schwieriger. Hinzu kommt, dass Produkte der Losgröße 1 immer gefragter werden und die wachsende Globalisierung ihr Übriges dazu beisteuert. Dies hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Modularisierung der Produkte und Prozesse und die weitgehend automatisierte Herstellung immer wichtiger werden. Nur so kann eine Individualisierung der Kundenwünsche gewährleistet werden.
Vorstellung Variantenkonfiguration
Um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, bietet ein Variantenkonfigurator eine geeignete Lösung. Dieser ermöglicht nicht nur eine attraktive Angebotserstellung für individuelle Produkte, sondern auch eine kostenoptimierte Produktion – bis hin zu Losgröße 1. Beginnen möchten wir mit der Vorstellung der wichtigsten Begriffe der Variantenkonfiguration. Denn genau wie in unserem Beispiel “Käse nicht gleich Käse” ist, sind auch PTO, ATO, CTO und ETO nicht dasselbe.
Starten wir mit PTO, pick-to-order, der Konfigurationsdisziplin mit der niedrigsten Komplexität. PTO bedeutet, dass der Kunde die verschiedenen Produktkomponenten unabhängig voneinander auswählen kann. Etwaige Abhängigkeiten der einzelnen Komponenten zueinander gibt es nicht. Für das eingangserwähnte Beispiel bedeutet dies, dass uns bereits fertig vorbereitete Baguettes und Beilagen in verschiedenen Varianten angeboten werden und wir uns ein Baguette und eine Beilage auswählen.
Eine Steigerung von PTO ist ATO, assemble-to-order. In dieser Konfigurationsdisziplin gibt es Abhängigkeiten zwischen einzelnen Komponenten. Dies bedeutet, dass nicht jede beliebige Kombination möglich ist, sondern nur gewollte oder gar technisch mögliche Kombinationen zusammengestellt werden können. Wichtig, ist, dass dabei nicht zwingend ein Konfigurator benötigt wird, da die Komplexität der Abhängigkeiten noch überschaubar ist. Für unser Mittagessen würde dies zum Beispiel bedeuten, dass für ein ungetoastetes Baguette entweder Tomate oder Salatgurke gewählt werden kann, da bei der Auswahl von Tomate und Gurke das Baguette zu stark aufweichen würde. Und dies stellt eine ungeschickte und damit ungewollte Kombination für die Zusammenstellung des Baguettes dar.
Bei CTO, configure-to-order wird der Kunde bei der Auswahl der Komponenten unterstützt, da es eine erhöhte Anzahl an Komponenten und Abhängigkeiten gibt, welche die Komplexität erhöhen. Es wird also ein Konfigurator in Form eines Baukastensystems zur Unterstützung zur Verfügung gestellt. Für die Bestellung unseres Mittagessens bedeutet dies, dass zum Beispiel die Mengen der vorgegebenen Komponenten von uns gewählt werden können. Wir können hierbei beispielsweise 100 Gramm Käse wählen, 50 Gramm Gemüse und 300 Gramm Hühnchen. Jedoch müssen wir dabei beachten, dass der Belag in Summe nicht mehr als 450 Gramm wiegt und eine Höhe von 7 cm nicht übersteigt. Nur wenn diese Vorgaben eingehalten werden, kann ein Toasten des Baguettes noch ermöglicht werden.
Die höchste Komplexität ist ETO, engineer-to-order. In diesem Fall müssen nicht alle Komponenten, die dem Kunden zur Auswahl zur Verfügung stehen, fertig gestellt sein. Es besteht die Möglichkeit, dass neue Komponenten hinzukommen, die erst noch konstruiert werden müssen. Dies bietet dem Kunden einen großen Freiraum bei der Auswahl der Komponenten. Im Gegenzug dazu steigt jedoch der konstruktive Aufwand, wenn neue Komponenten konstruiert werden müssen. Wenn wir zurück an unser belegtes Baguette denken, würde dies bedeuten, dass wir eine Soße auswählen, die das Restaurant aktuell noch nicht anbietet. Dies hätte zur Folge, dass der Mitarbeitende zuerst ein Rezept für die gewünschte Soße suchen muss, bevor diese zubereitet werden kann. Ist die Soße dann zubereitet, kann sie auf unserem Baguette verteilt werden. Dieses einfache Beispiel zeigt sehr deutlich, dass die Komplexität bei dieser Art von Konfigurator unterschiedlich stark ansteigen kann – entsprechend der Auswahl des Kunden.
Eine abschließende Grafik soll die einzelnen Konfigurationsdisziplinen zueinander einordnen. Auch verdeutlicht diese, wie sich der Trend hin zur Automatisierung von ETO entwickelt.
Prozesseinordung eines Variantenkonfigurators
So wie unser Baguette ein wichtiger Bestandteil unseres Mittagessens ist und damit seinen Beitrag zur Tagesverpflegung darstellt, stellen auch PTO, ATO, CTO und ETO eine entscheidende Rolle im Produktentstehungsprozess dar. Eine nachfolgende vereinfachte Abbildung eines Produktentstehungsprozesses soll zeigen, an welchen Stellen die Konfigurationsdisziplinen zur Anwendung kommen können.
Ein durchgängiges Variantenmanagementsystem, das alle Prozessschritte begleitet, gibt uns die Möglichkeit, eine schnelle und fehlerfreie Abwicklung der Angebots- und Auftragsabwicklungsprozesse zu erreichen. Damit verbunden ist eine Entlastung aller Unternehmensbereiche zu erwarten. Dies ermöglicht den Maschinen- und Anlagebauern, sich auf die bestmögliche Erfüllung der Kundenwünsche zu fokussieren – genau wie es bei unserem Mittagessen der Fall ist. Wenn wir ein Mittagessen bestellen, dann haben wir als Kunde die Erwartungshaltung, möglichst schnell unser Essen zu erhalten. Und zwar so, wie wir es bestellt haben – denn wir haben schließlich Hunger. Nicht selten können wir daher bei den geschulten Mitarbeitenden des Restaurants beobachten, dass jeder Handgriff sitzt und sie genau wissen, wie sie in kürzester Zeit ein leckeres Mittagessen zubereiten.
Wie geht es weiter …
Genau hier möchten wir in unserem nächsten Blog-Beitrag anknüpfen: Wir wollen uns den Prozess im Detail anschauen, welcher eine Digitalisierung der Angebots- und Auftragsabwicklungsprozesse ermöglicht. Bei weiterem Interesse zu diesem Thema freuen wir uns über eine direkte Kontaktaufnahme.
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